Helene Hartmann: «Die Arbeitgeber sollten offener sein.»

In Wettingen betreut sie Arbeitssuchende aus zwölf Gemeinden. Nicht immer ein leichtes Unterfangen.

Helene Hartmann in ihrem Büro in Wettingen: Sie betreut vom 18-Jährigen bis zur 60-Jährigen.
Helene Hartmann in ihrem Büro in Wettingen: Sie betreut vom 18-Jährigen bis zur 60-Jährigen.

Einen typischen Klienten hat Helene Hartmann nicht. Sie betreut vom 18-Jährigen bis zur 60-Jährigen. Manche sind gut ausgebildet, andere weniger. Viele schon lange arbeitslos, ausgesteuert, sozialhilfeabhängig. Sie arbeitet seit 20 Jahren in der Arbeitsintegration und weiss: «Jeder könnte seinen Job verlieren.» Seit 2016 leitet sie ihre eigene Firma.

Was ist Arbeitsintegration? «Wir machen die Leute fit für den ersten Arbeitsmarkt. Durch Praktika verdienen Langzeitarbeitslose ihr eigenes Geld. Ziel ist, eine Festanstellung zu erhalten und weg vom Sozialamt zu kommen», erklärt Hartmann.

Fehlende Praktikumsstellen im kaufmännischen Bereich und immer mehr Arbeitslose über 50 Jahre sind aktuelle Problemfelder. Hartmann: «Viele der Generation Ü50 finden keine Stelle mehr. Angst und fehlendes Selbstwertgefühl sind die Folgen», sagt Hartmann und fordert: «Arbeitgeber sollten offener sein.» Gegenüber älteren Mitarbeitenden und Sozialhilfeempfängern.

Hartmann und ihre Mitarbeitenden Franco Foschi und Marlies Widmer betreuen zwölf Aargauer Gemeinden. Diese buchen die Coaches tage- oder halbtageweise. In dieser Zeit ist ein Teammitglied vor Ort und führt Gespräche mit den Arbeitssuchenden. «Im Erstgespräch sprechen wir etwa über den Lebenslauf oder Gründe für die aktuelle Situation. In den Folgegesprächen fördern wir die Klienten mit individuellen Lösungen», sagt die Geschäftsführerin. Auch familiäre und gesundheitliche Belastungen würden dabei angegangen. Sie weiss: «Damit sich jemand auf den Job konzentrieren kann, muss er mit dem privaten Umfeld im Reinen sein.»

In den Gesprächen werden laut Hartmann Fähigkeiten sowie Interessen herausgearbeitet und das Selbstbewusstsein gestärkt. Vieles funktioniere über Vertrauen: «Je besser wir die Klienten kennen, desto einfacher ist es, eine Strategie für ihre berufliche Zukunft auszuarbeiten.»

Dir Firma arbeitet mit bezahlten Praktika. Manchmal würden die Klienten umgeschult. Bei der Stellensuche hilft das Netzwerk: «Ich rufe potenzielle Arbeitgeber an, beschreibe den Arbeitssuchenden. Je nachdem kann sich die Firma vorstellen, mit der Person zusammenzuarbeiten. Dann kommt es zu einem Vorstellungsgespräch.» Wenn beide Parteien einverstanden sind, komme das Praktikum zustande. «Vielfach resultiert daraus eine Festanstellung oder befristete Jobs.»

Die Wettinger Firma begleitet die Arbeitssuchenden bis dahin. «Die Lernenden betreuen wir während der gesamten Ausbildung», so die Fachfrau. Dabei seien sie Drehscheibe zwischen Gemeinde, Arbeitgeber und Schule. Ihre Vermittlungsquote liege bei 40 bis 45 Prozent pro Jahr.

Hartmann streut in ihren Ausführungen immer wieder Beispiele ein: Etwa von einem jungen Mann, der im Hotelzimmer wohnte, mehrere Jahre nicht arbeitete, ein Praktikum absolvierte und nun am gleichen Ort ein Team von zehn Mitarbeitenden führt. Oder von einer Frau mittleren Alters, die immer in einem Lager gearbeitet hatte. Aus gesundheitlichen Gründen wünschte sie sich eine leichte Arbeit mit Kundenkontakt. Bei einem Praktikum an einer Kasse eines Detailhandelsgeschäfts überzeugte sie, sodass sie jetzt fest angestellt ist. Das sind die Erfolgsgeschichten, die Hartmann antreiben.

Auch Misserfolge gibt es: Klienten, die nicht zu Terminen auftauchen oder ihre Aufgaben nicht erledigen, müssten sie der Gemeinde abgeben. «Wir merken schnell, ob jemand arbeiten will.»

Der Job ist herausfordernd: Viele Arbeitssuchende seien frustriert und fühlten sich nicht als Teil der Gesellschaft. Dann gelte es, sie anzuspornen.

Dass es Arbeitsintegration braucht, liegt laut der Geschäftsführerin am Arbeitsmarkt: «Die Wirtschaftsvertreter müssen wieder mehr gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen. Die Angestellten müssen für Weiterbildungen und die rasante Entwicklung bereit sein.»

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