«Umfassende Wortschatzkenntnisse sind für den Schulerfolg essenziell»
Das Forum «Spreitenbacher Bildungsgespräche» startete in die erste Runde.

Die Schule ist eine Baustelle – und dass ist gut so! Der emeritierte Professor für Pädagogik, Jürgen Oelkers, referierte am vergangenen Mittwoch zum steten Verbesserungspotenzial der Schule.
Er wäre ja beinahe nicht gekommen, ein leises Schmunzeln. Die rund fünfzig Lehrpersonen aus Kindergarten, Primarschule und der Oberstufe Spreitenbach warten gespannt. Schuld war eine Zugverspätung, klärt der Herr in Anzug nach einem Atemzug auf, streicht sich das weisse Haar aus der Stirn. Doch nun ist er da, bereit zu referieren. Auch ist das Eis in der Aula Zentrumhof gebrochen und in den folgenden neunzig Minuten ist Prof. Dr. Jürgen Oelkers die volle Aufmerksamkeit garantiert.
Spreitenbach ist bunt. Dies spiegelt sich auch in der Schule wider: Der Anteil von Kindern mit sogenanntem Migrationshintergrund liegt, laut Hannes Schwarz, Mitglied der Schulleitung Oberstufe, in den Spreitenbacher Kindergärten und Primarstufe bei rund 70 Prozent. In der Oberstufe sind rund die Hälfte der Kinder keine Heidis oder Geissenpeters. Aber lassen wir die nationalen Mythen. Fakt ist, dass Migration seit jeher zur Schweiz gehört.
Spreitenbach ist nicht direkt vergleichbar mit der amerikanischen Westküste des vorletzten Jahrhunderts. Doch es kann als Beispiel dienen. Denn damals wurden die Kinder unterschiedlichster Herkunft an der Volksschule zu Amerikanerinnen und Amerikanern erzogen. Die Offenheit gegenüber den Neuankömmlingen spielte eine entscheidende Rolle. «Doch», Oelkers hebt den Zeigefinger, «diese Haltung war gleichsam tückisch, denn es gibt nicht die Schülerin oder den Schüler.»
Viel wichtiger für den Schulerfolg einzelner Kinder, so weiss man heute, sind die Lehrpersonen, die Qualität des Unterrichts und Fähigkeit der Pädagoginnen und Pädagogen, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Die sollen ihrerseits lernen, Selbstverantwortung wahrzunehmen, während Strukturen gleichsam Orientierung bieten. Wichtig, so Professor Oelkers mit Verweis auf eine Zürcher Studie, seien gute Wortschatzkenntnisse. «Die Unterrichtssprache muss beherrscht werden.» Eine Tatsache, die einleuchtet, doch die besonders beim anschliessenden Apéro zu diskutieren gab.
Hannes Schwarz ist mit dem Auftakt der Veranstaltungsreihe zufrieden. «Das Echo anschliessend an das Referat ist sehr positiv. Der Input wurde geschätzt.» Er unterstreicht ausserdem nochmals die Metapher der Schule als Baustelle: «Die Schulentwicklung muss vor Ort und an der Basis angegangen werden und sich an den lokalen Rahmenbedingungen orientieren.» Er hält deswegen wenig von «flächendeckenden Schulreformen von oben». Die strategische Linie seiner Schule zielt mit «vision20» auf eine vermehrt integrative Schule ab, die «grosse Spannweite innerhalb der Schülergruppen» soll also längerfristig verringert werden.
Das nächste Bildungsgespräch findet am 6. März 2014 statt. Referieren werden Prof. Dr. Katharina Maag Merki und Mirjam Obrist zu «Vergleichende Leistungstests – Fluch oder Segen?»


