Pfarrer als Traum, Clown per Zufall
Eigentlich wollte Matthias W. Fischer nur ein Semester lang in Bern studieren. Mittlerweile ist er seit 26 Jahren in der Schweiz. Die letzten 19 Jahre amtete er als Pfarrer in Spreitenbach. Nun ziehts die Familie ins Zürcher Unterland.

Die Umzugskisten stapeln sich im Flur an der Chilegass 20. Seit Anfang Dezember bereitet sich die Familie Fischer mit gemischten Gefühlen auf den Umzug vor. «Würde uns der Abschied leicht fallen, wäre das komisch, Abschiedsschmerz würdigt die Vergangenheit und zeigt, wie verbunden man mit ihr noch immer ist», sagt Matthias Fischer. Besonders für die 14- und 16-jährigen Töchter bedeutet der Ortswechsel eine grosse Veränderung. «Der Umzug in die ungewisse ‹Pampa› klingt nicht nur verlockend», weiss Irene Fischer.
Trotzdem sei der Entscheid, zu gehen, richtig, ist sich das Ehepaar Fischer sicher. Irene Girardet Fischer hat vor anderthalb Jahren das Theologiestudium abgeschlossen, gemeinsam wollen sie nun in Hausen am Albis das Pfarramt führen und werden sich das Hundertprozent Pensum je zur Hälfte teilen.
Der Rollenwechsel von der Pfarrfrau zur Pfarrerin wäre in Spreitenbach und Killwangen schwierig gewesen, glaubt Girardet. Immerhin arbeitet ihr Mann seit 19 Jahren zu Hundertprozent als Pfarrer in der Kirchgemeinde Spreitenbach-Killwangen.
Was nimmt Matthias Fischer mit aus Spreitenbach? «Ich versuche heute, den Fokus nicht auf Probleme zu legen, mich nicht darin zu verbeissen», sagt er und fügt an: «Und mir ist wichtig geworden, nicht das Machen in den Vordergrund zu stellen, sondern zu schauen, was die Bedürfnisse der Gemeinde sind.» Ein Event sei schnell organisiert, aber dass er fruchte und die Menschen sich einbringen, brauche Geduld. Zu Beginn habe es in Spreitenbach Unruhe und Spannungen gegeben, heute gehe die Gemeinde ihren Weg gemeinsam.
Er ist sicher, dass Vieles auch ohne ihn weiter bestehen werde. So beispielsweise die Morgengebetgruppe, die Fastengruppe und die Kinoabende. Mit Freuden denkt er an den Konfirmandenunterricht zurück. «Einmal kam in der Kirche sogar eine Technoparty zustande», lacht er, «daran erinnern sich die damaligen Konfirmanden noch heute gerne zurück.» Zu den besonderen Highlights zählt Fischer die interreligiösen Gebete. Im multikulturellen Spreitenbach sieht Fischer eine grosse Bereicherung, die er so in Hausen am Albis nicht anzutreffen glaubt.
Am neuen Ort wird Matthias Fischer dank seiner Pensenreduktion noch Zeit für anderes haben. «Ich will bewusst nicht alles verplanen, hoffe, dass ich meine beiden Tätigkeiten als Clown und spirituellen Begleiter ausbauen kann», so Fischer. Zum Clown kam er zufällig. Er hatte einen Meditationskurs besuchen wollen, weil er sich aber in der Woche geirrt hatte, fand dann aber ein Clownkurs statt. Spontan entschied er sich, diesen Kurs zu besuchen und war so begeistert, dass er weitermachte und eine Clownausbildung absolviert hat. In Deutschland sind die «Kirchenclowns» bereits vernetzt, sie verstehen sich nicht als tollpatschige Komiker mit grenzwertigem Humor, sondern sie üben mit radikaler Offenheit den Kontakt zum Publikum.
ÜBERHAUPT nICHT zufällig ist er Pfarrer geworden. «Mein Onkel war Pfarrer, meine Tante Nonne, ich wollte schon als Kind Pfarrer werden und habe schon damals Messe gespielt», erzählt er lachend. Als Teenager realisierte er, dass er in der katholischen Kirche dafür auf Frau und Familie verzichten müsste und wurde deshalb reformierter Pfarrer. Eine Konversion, die bei der Familie nicht von Anfang an auf Freude stiess. «Doch mit der Zeit akzeptierten sie es und zuletzt schrieb meine Mutter die Post für mich mit Herrn Pfarrer an», lacht der 52-Jährige.
Der Abschiedsgottesdienst des Pfarrehepaars findet am 1. Juli um 10 Uhr in der Kreuzkirche statt. Der Kirchenchor Wettingen tritt auf. Der Männerkochklub kocht Risotto, anschliessend gibt es ein Dessertbuffet. Jedermann ist eingeladen.