Ein Dorf, ein Mann, unzählige Geschichten

Walter Trippel beschäftigte sich Jahrzehnte mit der Geschichte von Spreitenbach. Seine unzähligen Texte und Nachforschungen hat er an der vergangenen Gemeindeversammlung dem Gemeindeammann abgegeben. Was jetzt mit den Dokumenten passiert, interessiert Trippel nicht, seine Arbeit ist abgeschlossen.

Der Blick schweift über die Weiten des Limmattals, es ist ein strahlend schöner Tag. Auf dem Balkon des wohl höchst gelegenen Hauses in Spreitenbach sitzt Walter Trippel. 20 Jahre hat er damit verbracht, die Geschichte seines Dorfes zu erforschen. Dabei stammt er ursprünglich aus Zürich, lebt jedoch schon seit rund 50 Jahren hier und ist fest mit der Gemeinde verwurzelt.

Als für Trippel die Pension immer näher rückte, kam die Frage auf, was er in Zukunft mit seiner Zeit anstellen solle: «Man kann ja nicht immer reisen», lacht der 84-Jährige. Da er sich schon als Kind für Geschichte interessierte und sogar ein Studium in Historik in Betracht zog, war der Entschluss schnell gefasst: Die Geschichte von Spreitenbach soll zum Mittelpunkt seiner neu gewonnenen Freizeit werden. Doch wie kommt man dazu, sich mit der Ortsgeschichte seiner Wohngemeinde derart intensiv zu beschäftigen? Angefangen hat alles mit Kurt Wassmer, dem Lehrer von Trippels Kindern. Dieser sammelte allerlei alte Geräte und so kam die Idee auf, ein Ortsmuseum zu gründen. Trippel selbst übernahm für rund zehn Jahre den Posten des Präsidenten des Ortsmuseumsvereins. «Spreitenbach ist wie eine Insel, die von den Historikern vergessen wurde», dabei sei die Geschichte des Dorfes unglaublich interessant. 

Für seine Recherchen verbrachte Trippel unzählige Stunden im Staatsarchiv Aarau und Zürich und sogar im Bundesarchiv der Schweizer Hauptstadt. Dabei gestaltete sich die Arbeit alles andere als einfach, da viele Texte noch in alter Schrift verfasst waren: «Es dauerte einige Zeit, bis ich mir die Fähigkeit angeeignet hatte, diese Texte zu entziffern und zu übersetzen.» Viele veraltete Ausdrücke mussten gelernt werden, zudem findet man über vieles nur spärliche Angaben. Genau dies macht für Trippel jedoch den Reiz an dieser Arbeit aus: «Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken und es ist ein gutes Gefühl, neue Zusammenhänge zu erschliessen.» Solche Lichtblicke spornten ihn über die Jahre an, seiner Arbeit treu zu bleiben.

In all den Jahren haben sich so unzählige Aufsätze und Texte angesammelt, einige sind bis zu 50 Seiten lang geworden. Es sind Geschichten wie die von Huldrych Zwingli und dessen Marsch über den Heitersberg. Dabei wurde der Zürcher Reformator von 200 Soldaten beschützt, da die Grafschaft Baden zu dieser Zeit eine Hochburg der Katholiken war. Auch weiss Trippel, dass Spreitenbach früher einmal ein grosses Weinanbaugebiet war, so gab es in der Gemeinde 13 Trotten. «Der Wein wurde wohl nicht weiterverkauft», merkt der Hobby-Historiker an, «wahrscheinlich haben sie das meiste selber getrunken.» Zudem hat Trippel ein 600 Seiten starkes Buch über den berühmtesten Spreitenbacher verfasst. Dabei handelt es sich um Xaver Wiederkehr – ein Dichter, Politiker und Berufsoffizier aus dem 19. Jahrhundert. Die Recherchen für dieses Werk trieben Trippel bis nach Wien – denn der aufmüpfige Spreitenbacher diente in Österreich als Söldneroffizier, nachdem er sich beim Sonderbundskrieg für die falsche Seite entschieden hatte und aus dem Aargau fliehen musste. Genau solche Geschichten lassen die Vergangenheit des Dorfes wieder lebendig werden und bieten die Möglichkeit, die vergessene Insel Spreitenbach ins Gedächtnis zu rufen.

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