Künstler Stoislav Zivkovski kratzt Geschichten in den Mörtel

Der Spreitenbacher stellt in seinem Heimatelier Sgraffito-Bilder her. Derzeit sind einige seiner Werke in der Stadtbibliothek Dietikon zu sehen.

Stoislav Zivkovski in seinem Heimatelier in Spreitenbach: Hier stellt er seine Sgrafitto-Bilder her. Vor 20 Jahren kam er erstmals mit dieser Technik in Kontakt. Sibylle Egloff
Stoislav Zivkovski in seinem Heimatelier in Spreitenbach: Hier stellt er seine Sgrafitto-Bilder her. Vor 20 Jahren kam er erstmals mit dieser Technik in Kontakt. Sibylle Egloff

Stoislav Zivkovski beugt sich über den Tisch. Mit einem feinen Messer kratzt er auf einer weissen Platte. Rostfarbene Linien kommen zum Vorschein. «Das werden zwei liebende Schwäne, das Lieblingsmotiv meiner Frau», sagt er.

In seiner Werkstatt, die er sich auf der Terrasse seines Zuhauses in Spreitenbach eingerichtet hat, ist es an diesem sommerlichen Abend angenehm kühl. Spachtel, Kellen und Pinsel in diversen Grössen hängen an den Wänden. Hier entstehen seine Sgraffito-Bilder. Sgraffito kommt aus dem Italienischen und bezeichnet eine Dekorationstechnik zur Bearbeitung von Wandflächen. Vorzufinden sind diese vor allem im Engadin. Dort kam der 68-jährige Maurermeister vor rund 20 Jahren erstmals mit der Kratztechnik in Berührung. «Ich habe eine Firma, die Fassaden und Innenräume mit Stucco Veneziano schmückt. Bei Aufträgen in St. Moritz habe ich auch einige Sgraffiti gemacht», erzählt Zivkovski. Das Handwerk habe ihn so fasziniert, dass er sich entschloss, Sgraffito-Bilder zu fertigen.

Seit seiner Kindheit malt er. In der Grundschule zeichnete er zum Beispiel Postkarten mit Wintermotiven, die die Schule sogar verkaufen konnte. «Jeder Zweite kauft Palette und Pinsel und malt in Acryl. Ich wollte etwas Neues ausprobieren», sagt der Spreitenbacher. Das war vor zehn Jahren. Seitdem fertigte er in seinem Heimatelier zahlreiche Bilder. «Die Baustelle ist sozusagen ins Atelier gekommen», sagt er und lacht.

«Wichtig ist bei meiner Arbeit die Vorbereitung», so der gebürtige Mazedonier und zeigt auf eine weisse verputzte Platte. Zivkovski muss keine Leinwand kaufen, er macht sie selber. «Dazu beschichte ich eine Spanplatte mit Quarzsand. Das ist die Haftbrücke für den Mörtel, der später aufgetragen wird.» Bis er dann mit dem Kratzen beginnen kann, dauert es drei Tage. So lange braucht das Material zum Trocknen.

«Wenn man Freude im Herzen hat, dann ist das Haus wie ein Goldschatz», steht auf einem Sgraffito-Bild in Rätoromanisch. «Diesen Spruch habe ich oft an Hausfassaden angebracht», sagt Zivkovski. Für den dreifachen Vater und fünffachen Grossvater ist er ein Leitspruch für das Leben. Mit seiner Frau Sebrenka ist er schon seit 47 Jahren glücklich verheiratet. «Wir kannten uns zwei Tage. Am dritten Tag heirateten wir. Ich dachte mir, wenn eine Frau so mutig ist, dass sie mich am dritten Tag zum Mann nimmt, dann ist sie die Richtige.»

Freude bereitet ihm auch seine Kunst. Seine Motive sind nicht nur Schwäne. Auf seinen Bildern finden sich auch Pferde, Landschaften oder Augen. Doch für den Künstler sind es mehr als Motive. «Kunst ist Ehrlichkeit. Hinter jedem Bild steckt eine Geschichte.» Der Pensionierte hat ein spannendes Leben und drückt das Erlebte mit seiner Kunst aus. So war der 1951 in der nordmazedonischen Gemeinde Jegunovce Geborene nicht von Anfang an Maurer. «Ich habe Chemie studiert und in meiner Heimatstadt gearbeitet. Ich tat es jedoch nicht aus Leidenschaft, sondern meinem Vater zuliebe.» Doch er sieht darin auch einen Vorteil. «Meine Diplomarbeit habe ich über Kalk geschrieben. Mörtel ist ein Baustoff aus Kalk. Meine Ausbildung hat mich also auf meine spätere Tätigkeit als Maurermeister vorbereitet und auch auf meine Kunst.» Bevor er 1987 in die Schweiz kam, lebte er zehn Jahre mit seiner Familie in Deutschland.

Der Künstler ritzt aber nicht nur Biografisches in den Mörtel, sondern auch, was ihn gerade so beschäftigt. Zum Beispiel die Politik. «Ich stelle viele Bilder her, die Kritik enthalten, zum Beispiel zu Waffengeschäften.» Er zeigt auf ein Sgraffito, auf dem ein Gewehr in einen Pflug verwandelt wird. «Wenn das passieren würde, hätte die Welt weniger Probleme.»

Zivkovski hat bereits Ausstellungen in St. Moritz, in Luxemburg, aber auch im Spreitenbacher Gemeindehaus oder in der «Linde» Weiningen durchgeführt. Derzeit sind 34 seiner Werke bis Ende September in der Stadtbibliothek Dietikon zu sehen. «Am Samstag gibt es jeweils von 11 bis 13 Uhr einen Apéro, an dem man sich mit mir über meine Kunst oder auch sonst unterhalten kann.» Vielleicht treffe er so auf jemanden, der ihm bei der Verwirklichung seines Traumes helfen könne. Zivkovski wünscht sich nämlich ein eigenes Atelier: «Dort könnte ich alle meine Bilder permanent ausstellen, damit die Leute mein ganzes Repertoire zu Gesicht bekommen.»

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