«Das Letzte Wort»
Machen Sie mit beim «Dry January»? Der Anglizismus verbirgt kein grosses Geheimnis. Dahinter steckt einfach die Idee, vom Neujahrstag bis zum 31. Januar keinen Alkohol zu trinken. Die Aktion hat ihren Ursprung 2013 in Grossbritannien, wo im ersten Jahr ein paar Tausend Menschen mitgemacht haben. Inzwischen sind es Millionen. Frankreich hat sich eingeklinkt und seit 2021 ist auch die Schweiz dabei.
Ich selbst trinke keine zehn Mal pro Jahr Alkohol. Darum habe ich mich auch nicht auf der Projektwebsite registrieren lassen. Ich mache es mir stattdessen auf dem Beobachterposten gemütlich. Als Journalistin habe ich in den vergangenen Wochen an mehreren Neujahrsapéros teilgenommen und dabei bewusst auf die Getränkeauswahl geachtet. Das Rennen machten: Weisswein, Wasser, Orangensaft. Ich belauschte die Gespräche vor Ort. Niemand unterhielt sich über den Wein. Ihn zu trinken, war keine Frage des Genusses. Es war bestenfalls Tradition oder – weniger imposant – Gewohnheit. Das hat Fragen aufgeworfen. Unter anderem: Was genau kennzeichnet ein Feierabendbier? Ist es Entspannungsmoment oder so selbstverständlich wie Zähneputzen? Läutet ein Glas Champagner tatsächlich das Glück ein?
Die meisten von uns leben in der privilegierten Situation, Speisen und Getränke aussuchen zu können. Warum sich dann mit Gewohnheiten begnügen? Wie wäre es mit Birnensaft von Hochstammbäumen, serviert in bauchigen Kristallgläsern? Oder mit alkoholfreien Cocktails vom Profi-Barkeeper beim Firmenfest? Mein guter Vorsatz für 2024 lautet: Ich will in einer bunten Welt bewusst geniessen. Den grauen Alltag überlasse ich anderen. Vielleicht kommt der eine oder andere «Dry January»-Teilnehmende zum selben Schluss. Dann hätte sich die Aktion auf jeden Fall gelohnt.
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