Er holt besonderes Zimmer in die Gegenwart
Hubi Spörri hat sich der Neumalung von Tafelbildern aus dem 18. Jahrhundert verschrieben. Sie schmückten einst den Dachstock im ehemaligen Erholungsheim des Klosters Wettingen auf dem Sennenberg in Killwangen.
Hubi Spörri erwartet die Redaktorin bereits vor der Lindenhofscheune oberhalb von Oberrohrdorf. Dass der 82-jährige Komponist, Autor und ehemalige Lehrer mit Wettinger Wurzeln hier ein spezielles Zimmer eingerichtet hat, kann man beim Betreten des Stalls kaum glauben.
Doch nach ein paar wenigen Schritten öffnet Hubi Spörri einen Vorhang und damit das Tor in eine Welt, die längst der Vergangenheit angehört. Ein 20 Quadratmeter grosser Raum kommt zum Vorschein. Er ist in Grüntönen gehalten. Ins Auge stechen die Bilder an den Holzwänden. Sie zeigen französische Schlösser, Jagd- und Schaukampfszenen, Landschafts- und Tiermotive sowie das Schiff des in Seenot geratenen Heinrich von Rapperswil, des Erbauers des Wettinger Klosters.
Seit November 2024 hat Spörri über 2500 Stunden in die Nachbildung der Tafelbilder gesteckt, zuerst in seiner Garage in Wettingen, seit August in der Lindenscheune. Die Originale zierten einst den Dachstock im ehemaligen Erholungsheim des Klosters Wettingen auf dem Sennenberg oberhalb von Killwangen. «Die Lindenscheune ist nur etwa 2 Kilometer vom ursprünglichen Standort entfernt», bemerkt Spörri, der sich schon lange für die Geschichte und die Belange des Klosters Wettingen interessiert. 2019 veröffentlichte er zum Beispiel das 700-seitige Buch «Klosterfest 2027» zu Ehren von Alberik Zwyssig, dem Schöpfer des Schweizerpsalms.
Malereien lagern im Historischen Museum Baden
Zurück zum Sennenberg: Die in den 1720er-Jahren vom damaligen Wettinger Abt Alberik Beusch beauftragten Wandmalereien im sogenannten Sennenbergzimmer existieren heute nicht mehr. «Anlässlich eines Umbaus von 1920 gingen wertvolle Wandmalereien verloren, ein Teil davon wurde ins Historische Museum Baden überführt. So konnten die Malereien des Sennenbergzimmers gerettet werden», erzählt Spörri. Das Problem: Dort sind sie unzugänglich gelagert. Der Künstler musste deshalb die Neumalung in Acrylfarbe sowie die Rekonstruktion des Zimmers im Massstab 1:1,25 mithilfe von alten, teils unscharfen und schwarz-weissen historischen Aufnahmen bewerkstelligen.
«Dass mir der Zugang zu den Bildern verwehrt blieb, hatte aber auch etwas Positives», findet Spörri. So habe er die Freiheit gehabt, zu gestalten und eine persönliche Note reinzubringen. Der Künstler hat zum Beispiel seine Enkelin und seine Enkel in einem Sujet verewigt. Nichtsdestotrotz hat sich der Perfektionist sehr nahe am Original orientiert. Bereits in seiner Schulzeit hätten das Zeichnen und das Werken zu seinen Lieblingsfächern gezählt. «Es ist schön, dass ich dieser Leidenschaft mit diesem Projekt wieder Ausdruck geben kann.»
Er kam einem Spanner und einemSchlossgärtner auf die Schliche
Bei seiner Arbeit hat der 82-Jährige auch Neues herausgefunden. So konnte er einen vermeintlichen Baumkletterer auf einem Sujet als Spanner entlarven. Der Humor des Originalmalers brachte Spörri oftmals zum Schmunzeln. Er zeigt auf einen Schlossgärtner, der als Detail am Rande eines Sujets auftaucht. «Er raucht Pfeife und hält eine Rose in der Hand. Vermutlich hat er im Schloss eine heimliche Angebetete.» Lustig sei, dass seine und die Initialen des Urhebers, Hans Jakob Schäppi, zufällig die gleichen seien.
«Auch wenn ich Laie bin, ist es mir gelungen, die verlorenen Schätze so gut es geht zurückzuholen. Wenn das ein Profi gemacht hätte, hätte eine Million Franken dafür kaum gereicht», ist sich Spörri sicher. Doch wozu der immense Aufwand? «Ich will zeigen, was mit der Klosteraufhebung 1841 alles verloren gegangen ist», sagt Spörri. Sein Ziel sei, diesen alten Schatz wieder präsent zu machen. Lange wusste der Künstler jedoch nichts von dessen Existenz. Erst um die Jahrtausendwende wurde er, als er den Kirchenchor Killwangen dirigierte, darauf aufmerksam gemacht. Als er im Jahr 2024 in einer Arbeitsgruppe anlässlich der 900-Jahr-Jubiläumsfeier von Oberrohrdorf-Staretschwil, seinem heutigen Wohnort, erneut auf den Sennenberg und das Erholungsheim stiess, war sein Eifer geweckt. «Der Sennenberg gehörte früher zu Staretschwil und nicht zu Killwangen», fand Spörri damals heraus.
Schade sei, dass er für sein Projekt finanziell keine Unterstützung habe finden können. Das Interesse am Sennenbergzimmer sei jedoch vorhanden. Spörri gründete die Vereinigung Freunde des Sennenbergzimmers, die unterdessen 30 Mitglieder zählt. «Ich unterrichte die Leute über die Entwicklung des Projekts und neue Erkenntnisse», sagt der Künstler.
Regierungsrat Markus Dieth hält die Festrede
Einem breiten Publikum will Spörri sein Schaffen am 26. April 2026 an einer Vernissage und einer anschliessenden Ausstellung in der Lindenscheune präsentieren. Er verrät: «Ich konnte für die Ansprache Regierungsrat Markus Dieth gewinnen.» Bis zu diesem Zeitpunkt habe er aber noch einiges zu tun, sagt Spörri. Zufrieden ist der kritische Künstler mit seinem Werk nämlich noch nicht. Er sagt: «Es gibt noch einige Ausbesserungen, die ich vornehmen muss.» Er denkt zudem noch weiter in die Zukunft. Das Zimmer sollen auch Schulklassen besuchen und so mehr über die Geschichte des Klosters erfahren. Spörri hat dazu bereits Arbeitsblätter und Kreuzworträtsel vorbereitet und ganz viele versteckte Details in seinen Wandmalereien hinterlassen.
Wer mehr Informationen zum Projekt erhalten will, meldet sich bei Hubi Spörri unter hubertspoerri@hotmail.com.