Im Notfall wird in der Praxis geholfen

Vor zweieinhalb Jahren haben die Geschwister Kunz und Keller in Würenlos ein Ärztezentrum eröffnet – und nach einem Jahr erweitert. Nun ziehen sie Bilanz.

Livia Keller und ihre Brüder Nico und Timo Kunz sitzen am Tisch im Aufenthaltsraum des Ärztezentrums im Landi-Gebäude neben dem Würenloser Bahnhof. «Als wir vor dreieinhalb Jahren das Foto für den Bericht in der Limmatwelle machten, stand hier alles noch im Rohbau», sagt die 37-Jährige. Die Geschwister hatten damals mitbekommen, dass ihr langjähriger Würenloser Hausarzt Hari Zvizdic keine Nachfolgelösung für seine Arztpraxis fand. Um zu verhindern, dass es künftig in Würenlos keinen Hausarzt mehr gibt, gründeten die Geschwister das Ärztezentrum Würenlos. Sechs Jahre zuvor hatten sie die elterliche Firma Ortec Management AG übernommen, die im Verbands-, Bildungs- und Qualitätsmanagement tätig ist. «Ein Ärztezentrum aufzubauen, war damals nicht geplant», sagen die Geschwister lachend.

«Das Gesundheitssystem war Neuland für uns, wir haben uns intensiv eingearbeitet und überliessen nichts dem Zufall», sagt Nico Kunz (41), der mit Bruder Timo (39) im Verwaltungsrat sitzt. Die Bürokratie sei gross. «Jeder Kanton hat beispielsweise seine eigene Berufsausübungsbewilligung», fügt Timo Kunz an. «Wir hatten Angst, nicht genügend Ärztinnen und Ärzte zu finden», so Livia Keller.

Es kam anders: Trotz Fachkräftemangel würden sich immer wieder Ärzte bewerben. Auch weil man in der Praxis Teilzeit arbeiten kann und sich Ärzte weder um Abrechnung noch Personalführung noch betriebswirtschaftliche Aufgaben kümmern müssen. «Diese klare Entlastung vom unternehmerischen Druck ist einer der zentralen Unterschiede im Vergleich zu vielen herkömmlichen Praxismodellen und spricht viele an», so Nico Kunz. Auch der ehemalige Hausarzt Hari Zvizdic profitiert davon; der 65-Jährige hat sein Pensum reduziert und ist heute wie das gesamte Team fest angestellt.

Die Ärzte können sich ganz auf Medizin und Mensch konzentrieren

Rund 40 Mitarbeitende arbeiten zurzeit im Ärztezentrum, davon 21 Ärzte und Ärztinnen. Neben der Allgemeinmedizin sind auch die Fachbereiche Gynäkologie, Pädiatrie, Dermatologie und Venerologie, Neurologie, Schmerztherapie, Kardiologie und Ernährungsberatung abgedeckt. «Und demnächst bieten wir auch Jugendpsychiatrie an», sagt Livia Keller. Damit sind sie, abgesehen von Gemeinschaftspraxen in Spitälern, die zweitgrösste Ärztegemeinschaft im Aargau.

Die Nachfrage danach sei gross, die Patienten kommen nicht nur aus Würenlos, sondern auch aus dem Furttal, aus Regensdorf und aus dem Limmattal. Deshalb haben die Geschwister die anfänglich 600 m2 grossen Räumlichkeiten bereits nach einem Jahr um 400 m2 erweitert. «Wir bieten hier sogar kleine Operationen an», sagt Nico Kunz und zeigt auf eine Liste an der Wand. Darauf haben sich Ärzte und medizinische Praxisangestellte für Auffrischungstrainings nach Feierabend eingetragen, an diesem Abend werden Wunden zugenäht.

Markus Wopmann ist Mitglied der Geschäftsleitung im Ärztezentrum

Markus Wopmann betritt den Pausenraum, um im Kühlschrank Getränke zu holen. Er hat Erfahrung damit, Wunden zuzunähen; als langjähriger Pädiatrieleiter im Kantonsspital Baden ist er einiges gewohnt. Seit die Praxis Anfang 2023 eröffnet wurde, ist er jeweils am Donnerstag und Freitag als Kinderarzt für den Notfalldienst im Einsatz und er ist auch Mitglied des Verwaltungsrats. «Es macht Spass, den Betrieb hier mitaufzubauen und strategisch mitzuplanen», sagt der 70-Jährige, ehe er wieder in der Arztpraxis verschwindet.

«Hatten wir als Kind einen Notfall, bekamen wir bei ihm erste Hilfe», sagt Livia Keller und erwähnt, dass die Familie Kunz neben der Familie Wopmann aufwuchs. Notfälle gibt es auch in der Gemeinschaftspraxis immer wieder. Erst kürzlich sei ein Patient mit seiner Frau in die Praxis gekommen. Er hatte seit einer Stunde sehr starke, einengende und drückende Brustschmerzen und ihm war schwindlig. Während Marc Maeder ihn untersuchte, kam es zum Herz-Kreilauf-Stillstand, worauf der Arzt ihn wiederbelebte. «Der Mann wäre mit grösster Wahrscheinlichkeit auf dem Weg ins Spital gestorben», so Maeder. Ins Spital wurde er dann später mit der Ambulanz gefahren. «Zum Glück haben wir fast nie solche Notfälle. Aber wir sind theoretisch immer darauf vorbereitet», so Maeder, der selbst regelmässig auf dem Spitalnotfall arbeitet.

«Wir sind zwar keine offizielle Notfallpraxis, aber natürlich können die Leute im Notfall auch hierherkommen», sagt Nico Kunz. Wenn den Patienten nicht selbst geholfen werden kann, wird triagiert, also beispielsweise eine Ambulanz gerufen.

Andere profitieren und auch sie selbst

«Es ist natürlich schön, wenn man weiss, dass dank unserem Angebot Leben gerettet werden kann», sagt Livia Keller. Auch die Spitäler seien froh um die Entlastung. Das Ziel, den Betrieb selbsttragend zu führen, haben die Geschwister erreicht. «Wir sind aber keine Investoren und es geht uns auch nicht um Rendite, sondern darum, etwas Gutes für die Region zu tun», sagt Timo Kunz, der Betriebswirtschafter ist. Profitieren tun die Geschwister sowieso: Sie können sich noch immer von ihrem Hausarzt behandeln lassen. Und ist er einmal nicht da oder geht dereinst in Pension, ist ein anderer Arzt da, der weiterhelfen kann.

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