Vom Politparkett geht’s aufs Tanzparkett

Nach 9 Jahren verlässt Stefan Nipp (CVP) den Gemeinderat Spreitenbach.

Stefan Nipp verlässt den Gemeinderat: Als Erstes will er Italienisch lernen.
Stefan Nipp verlässt den Gemeinderat: Als Erstes will er Italienisch lernen.

Ein spezielles Hobby habe er nicht, aber: «Ich will mit meiner Frau wieder Salsa tanzen, das haben wir früher immer gemacht.» Diese Freizeitbeschäftigung war, wie einiges in den letzten neun Jahren, dem politischen Engagement von Stefan Nipp (CVP) zum Opfer gefallen. Das wird sich nun ändern: Ende Jahr wird er aus dem Gemeinderat Spreitenbach ausscheiden.

Ein weiteres Ziel für die Zeit danach: «Ich will Italienisch lernen.» Seine Frau Anna ist Italienerin, mit den Kindern hat die Mutter immer auch italienisch gesprochen. Zudem ist sie in der Migros-Clubschule Sprachlehrerin. «So bin ich der Einzige, der das nicht richtig kann», sagt Stefan Nipp: «Wie ein Teenager werde ich eine vierwöchige Sprachschule in Siena und Florenz besuchen.»

Vor allem hat sich Stefan Nipp vorgenommen, in der gewonnenen Zeit mehr mit der Familie zu unternehmen. «Im Nachhinein muss ich sehen, dass ich mit den Kindern einiges verpasst habe.» Oft sei er abends nicht zu Hause gewesen: «Sie waren nicht immer begeistert, aber sie haben mein Amt mitgetragen.» Ohne die Unterstützung der Familie hätte er diese Aufgaben nicht erfüllen können.

Er würde es begrüssen, wenn ein Gemeinderat seine Berufsarbeit um 20 Prozent reduzieren könnte, damit er auch tagsüber Zeit für die Gemeinde hat und nicht alle Engagements auf die Abende und Wochenenden verlegen muss. Nipp hatte während seiner ganzen Amtszeit immer voll gearbeitet. Er ist leitender Revisor beim kantonalen Steueramt.

Durch den Nachbarn in die Politik

In die Politik ist Stefan Nipp durch seinen Nachbarn gekommen. 2002 baute die Familie ein Haus in Spreitenbach. Im Haus daneben wohnte der Sohn des damaligen Gemeindeammanns Rudolf Kalt. «Durch diesen Kontakt kam ich in die Spreitenbacher Innenpolitik.»

Dabei stammte der als Liechtensteiner Geborene aus einer unpolitischen Familie. Schon bald wurde der Finanzfachmann in die Finanzkommission und drei Jahre später in den Gemeinderat gewählt. Nach einem weiteren Jahr wurde er Vizeammann oder, wie es jetzt korrekt heisst, Vizepräsident der Gemeinde Spreitenbach.

Dass er immer für die Finanzen der Gemeinde verantwortlich war, ist eine Selbstverständlichkeit. «Manchmal habe ich das Gefühl, die neun Jahre sind beängstigend schnell vergangen», sagt er rückblickend. Nun tritt er aus dem Gemeinderat zurück, doch ganz lässt ihn die Politik nicht los: «Ich bleibe im Vorstand der CVP.» Dort ist er, was logisch ist, für die Finanzen zuständig.

Während der neun Jahre waren die Finanzen der Gemeinde das Kerngeschäft von Stefan Nipp. Eine in Spreitenbach nicht ganz einfache Aufgabe, denn die Gemeinde ist finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet. Die Steuerkraft ist tief und Spreitenbach ist auf den kantonalen Finanzausgleich angewiesen. Neubauquartiere schiessen aus dem Boden, die Bevölkerung wächst.

Die Konsequenz davon, Spreitenbach muss Schulhäuser bauen, Werkleitungsnetze ergänzen und die Verkehrsströme leiten. «Viele verstehen nicht, dass wir trotz der finanziell angespannten Lage nicht zu stark auf die Investitionsbremse stehen dürfen.» Oft fehle es in diesem Bereich an sachlichen Diskussionen. «Einfach mit Emotionen ein Projekt ablehnen, ist nicht gut.» Die Konsequenzen solcher Entscheide müssten spätere Generationen tragen.

Staat funktioniert nicht wie eine Firma

Die hohen Sozialkosten sind eine weitere Folge der Bevölkerungsstruktur. «Wir können nicht einfach defizitäre Abteilungen schliessen», sagt Nipp. Auch er habe zu Beginn seiner Amtszeit erkennen müssen, dass ein Staat nicht gleich funktioniert wie eine Firma. Genau damit hätten aber viele Leute Probleme.

Die direkte Demokratie bedinge, dass der Gemeinderat eng mit der Bevölkerung politisiere. In reichen Gemeinden sei dies weniger ein Problem, aber: «In Spreitenbach ist dies eine Herausforderung.» Schon deshalb müsse der Gemeinderat sachbezogen politisieren, um Lösungen zu finden, Parteipolitik hat keinen Platz.

Rückblickend sagt er: «Ich bewundere jedes Exekutivmitglied, es braucht Energie und Nerven. Das Amt bietet aber auch viele spannende und lehrreiche Momente.» Vielfach sei eine dicke Haut vonnöten, denn man werde oft angegriffen: «Als Finanzer steht man immer im Wind.»

Zugleich anerkennt er: «Ich habe mehr positive als negative Reaktionen gespürt, besonders wenn ich unsere finanzielle Situation und Möglichkeiten erklärt habe.» Und so kommt er abschliessend zum Schluss: «In Spreitenbach leben viele vernünftige Menschen.»

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