Ötlikon hat neue Linde bekommen
Die Sommerlinde, die als Wahrzeichen des Würenloser Ortsteils Ötlikon galt, musste gefällt werden. Nun wurde eine Silberlinde gepflanzt, die den klimatischen Veränderungen besser standhält.
Donnerstagmorgen um Viertel vor acht: Drei Baumpflegespezialisten begutachten das Loch, das auf dem Lindenplatz in der Mitte des Weilers Ötlikon klafft. Am Ort, wo bis vor zwei Jahren eine über 165 Jahre alte Linde stand. «Sie war das Wahrzeichen von Ötlikon», sagt eine Anwohnerin, die durch den Lärm angelockt vor einer Woche zuschaut, wie ein Lastwagen zufährt. Darin sind Kran und ein etwa 7 Meter hoher Baum geladen. Die Baumpflegespezialisten steigen auf das Fahrzeug und messen den Wurzelballen aus. «Jetzt wird’s spannend», sagt Baumpflegespezialist Lars Helmholz von der Schulte Baumpflege in Frick. Man wisse nämlich nie, ob die Grube dann wirklich passe. Tatsächlich ist das Loch etwas zu tief, der bereitstehende Bagger kippt vier Schaufeln Kies hinein. Die Baumpfleger verteilen es und fügen Baumsubstrat hinzu, bis es passt. Ein paar Minuten später hängt der Baum an der am Kran befestigten Baumhebevorrichtung über dem Loch und wird langsam heruntergelassen. «Noch ein bisschen rechts», weist Helmholz den Chauffeur an. Um halb neun passt es und die Baumpfleger befestigen Ballenverankerung und Stahlseile als Anwachshilfe und Kippsicherung.
Linde fehlte im Dorfbild
Mittlerweile verfolgen mehrere Mütter und Kinder das Spektakel. «Es sieht gut aus», sagt eine von ihnen zufrieden und fügt an, dass die Linde gefehlt habe. Vor einem Jahr wurde der 16 Meter hohe Baum gefällt. «Wir haben ein Abschiedsfest gemacht und jeder durfte ein Stück Holz nach Hause nehmen. Wir haben einen Stern daraus geschnitzt, der steht jetzt in unserem Haus.» Beim Abschiedsfest wurde auch das Alter ermittelt: 166 Baumringe seien gezählt worden.
Die Fällung war nötig, weil der Baum krank war und die Wurzeln bei der letztes Jahr durchgeführten Werkleitungssanierung beschädigt worden sind. «Das passiert heute nicht mehr so schnell, weil die heutigen Werkleitungen nicht mehr aus Gusseisen, sondern mehrheitlich aus Kunststoff hergestellt werden und meistens keine Fugen mehr aufweisen, in denen sie sich verwurzeln können», so Helmholz. Bewusst wurde keine Sommerlinde mehr gepflanzt, sondern eine Silberlinde. «Sie kann sich besser an die klimatischen Veränderungen anpassen», begründet Helmholz, der mit seinem Team dafür sorgt, dass die Linde gut anwächst.
Kein leichtes Unterfangen; die Linde ist nämlich schon etwa 18 Jahre alt, 7 Meter hoch und 4,5 Tonnen schwer. «Es wurde von der Bevölkerung ein grosser Baum gewünscht», sagt der Würenloser Bauverwalter Markus Roth. Rund fünf Jahre lang wird das Anwachsen nun von den Baumpflegern kontrolliert. «Tendenziell wachsen kleinere Bäume besser an», so Helmholz. Immerhin: Die neue Linde stammt aus einer Schweizer Baumschule und muss sich nicht an die klimatischen Bedingungen in der Schweiz gewöhnen.
Begegnungsplatz unter der Linde
Wenn es die Witterung zulässt, wird der Platz unter der Linde noch in diesem Jahr mit einem Naturstein gepflastert. Zudem sollen darauf drei Bänke montiert werden. Bei schlechtem Wetter erfolgen die Arbeiten im Frühjahr. Dann, wenn der Lindenplatz mit einem Eröffnungsfest offiziell eingeweiht wird. Doch schon jetzt ist die Identität des Ortes wiederhergestellt, wie die Mütter und Kinder nach getaner Arbeit der Baumpflegespezialisten zufrieden am Donnerstagmorgen bestätigen.
Rund 5000 Franken kostet die Silberlinde. Hinzu kommen nochmals so hohe Kosten für Lieferung und Einpflanzung. Für die anschliessende Pflege und Überwachung der ersten 2 bis 3 Jahre wird mit 5000 bis 10000 Franken gerechnet.
Ritter dominierten Ötlikon, das heute Teil von Würenlos ist
Bis 1899 war Ötlikon eine eigenständige Gemeinde. Zusammen mit Kempfhof wurde sie 1900 in die Gemeinde Würenlos integriert. Ötlikon gab im Hochmittelalter einem Dienstmannengeschlecht der Grafen von Kyburg den Namen. Den Rittern von Ötlikon kam einige Bedeutung zu, denn hier muss sich auch ihre Stammburg erhoben haben, wie verschiedene alte Chroniken berichten. Wie die Kyburger führten auch sie einen Löwen im Wappen, der noch im späteren Gemeindewappen und im Familienwappen der Markwalder auftaucht. Nach dem Aussterben der Kyburger um 1264 und der Übernahme der Herrschaft durch die Habsburger verlor das Rittergeschlecht von Ötlikon an Bedeutung und die Familie starb aus. Mit ihr ging auch die Burg unter. Der einstige Standort dieser Burg konnte bislang nicht gefunden werden. Im Weiler Ötlikon leben heute 52 Personen, Würenlos zählt knapp 7000 Einwohner. (dh/LiWe)