Nach 47 Jahren: Chlaus tritt in den Ruhestand

Ernst Marty (79) aus Spreitenbach sorgt seit vielen Jahren als Samichlaus für strahlende Kinderaugen. Jetzt hängt er den roten Mantel an den Nagel.

Waren viel unterwegs: Ernst Marty mit seiner Frau und Helferin Ruth Marty und dem Schmutzli Urs Müller. (bsc)

Waren viel unterwegs: Ernst Marty mit seiner Frau und Helferin Ruth Marty und dem Schmutzli Urs Müller. (bsc)

Der Schmutzli leert den Geschenkesack im Kindergarten. (bsc)

Der Schmutzli leert den Geschenkesack im Kindergarten. (bsc)

Ein Glöcklein klingelt. Die Kinder verstummen sofort. Alle Augen richten sich gebannt auf den Eingang, bis eine tiefe Stimme fragt: «Kann ich hereinkommen?» Sofort rufen die Kindergärtler unisono: «Ja!» Schon betritt der Mann in Rot mit Bischofshut und goldenem Stab den Raum: Der Samichlaus ist da.

Seit 47 Jahren verwandelt sich Ernst Marty im Dezember in den Mann mit Bart und bringt Kinderaugen zum Strahlen. «Wenn ich dieses Gewand und diese Schuhe trage», sagt Ernst Marty und zeigt auf die schweren schwarzen Stiefel, «dann bin ich der Samichlaus; ich spiele keine Rolle.» Sein Blick wird ernst, dann lächelt der 79-Jährige.

Der letzte Samichlausbesuch

Mit seiner Helferin und dem Schmutzli setzt er sich zu den Kindergartenkindern. Es wird ganz still im Raum und der Samichlaus beginnt zu reden.

Er sagt, was die Kinder Gutes getan haben und was sie besser machen könnten. Anschliessend erfahren die Kleinen, wie der Samichlaus zu seinem Schmutzli kam. Obwohl der eine oder andere kleine Zuhörer langsam ungeduldig wird, bleiben die Kinder ruhig sitzen. Schliesslich wissen sie, dass der Schmutzli in seinem grossen Sack etwas für sie dabei hat.

Es ist Ernst Martys letzter Besuch als Samichlaus: Er tritt in den Ruhestand. «Ich will aufhören, solange es mir noch Freude bereitet.» Vermissen werde er seine Aufgabe aber sicherlich. Er schmunzelt und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Aber wer weiss; man soll niemals nie sagen.»

Spreitenbacher Chlaus folgt strengen Traditionen

Der St.-Nikolaus-Gesellschaft Spreitenbach trat Ernst Marty kurz nach deren Gründung bei. «Ich kam zum Samichlaus wie die Jungfrau zum Kind», sagt der Rentner und lacht.

Er sei angefragt worden und die Aufgabe sagte ihm sofort zu. Wobei der Samichlaus in Spreitenbach strengen Traditionen folgt: «Früher durften Frauen nur im Hintergrund mitwirken», erklärt Marty.

Erst vor rund 35 Jahren ermöglichte der Verein den Frauen, als sogenannte Dienerinnen den Samichlaus zu begleiten. So können Frauen in Spreitenbach bis heute nur in dieser Rolle mit dem Chlaus mitziehen.

Als Ehepaar für den Samichlaus unterwegs

Eine der langjährigen Dienerinnen ist Ernst Martys Frau, Ruth Marty (77). Auch sie tritt nach diesem Jahr als Helferin des Samichlaus zurück. «Es wird in unserem Alter langsam Zeit. Aber es fällt nicht leicht, wir hatten sehr viele schöne Stunden», so Ruth Marty und blickt ihren Mann an. Er nickt und lächelt zufrieden.

Verändert habe sich nämlich nicht viel. Bis heute freuen sich die Kinder über den Besuch des Samichlaus. «Das Schönste ist, wenn du die glänzenden Kinderaugen siehst, dann vergisst du alles», sagt Ernst Marty.

Bis heute glauben die Kinder an den bärtigen Mann im roten Gewand. Dabei gefalle ihm, dass der Samichlaus Freude verbreiten kann.

Doch der Nachwuchs fehlt

Nur die Anzahl der Hausbesuche sei seit Jahren rückläufig. Während der Chlaus früher über 150 Mal ausrückte, sind es heute noch knapp 80 Besuche. «Viele im Dorf kennen die Tradition des Samichlaus nicht oder gehen lieber an die öffentlichen Anlässe wie den Chlauseinzug», erklärt Ruth Marty.

Auch fehlt dem Verein der Nachwuchs. So startete der Verein einst mit über fünfzehn Chläusen und heute sind es gerade noch sieben. Ruth Marty: «Ich hoffe, dass der Samichlaus trotzdem noch lange weiterbesteht, es ist so ein schöner Brauch.»

Im Kindergarten hat der Samichlaus inzwischen alles gesagt, was zu sagen war. Endlich ist es so weit: Der Schmutzli holt den grossen Jutesack hervor und leert den Inhalt vor den Kindern aus: Lebkuchen, Nüsse, Mandarinen und Schokolade fallen auf den Boden. «Wow», sagt eines der Kinder und reisst die Augen weit auf. Es ist Zeit und der Chlaus, seine Dienerin und der Schmutzli müssen wieder los.

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