Nicht ganz über den Wolken

Die Modellfluggruppe Dietikon weiht die neue Piste in Spreitenbach ein. Auch dabei: die lokale Politprominenz.

Der Benziner fliegt. (Bild: rsz)
Der Benziner fliegt. (Bild: rsz)

Ist es ein Vogel? Ein Superman? Nein, es ist ein Modellflugzeug! Am Samstag feierte die Modellfluggruppe Dietikon in Spreitenbach die Eröffnung ihres neuen Flugplatzes an der Hardackerstrasse.

Schon von weitem sieht man an diesem wechselhaften Nachmittag die Modellflugzeuge am Himmel umherschwirren und Tricks vollführen. Bei der Ankunft am Platz stehen die diversen Flugzeuge – und sogar Helikopter – wie am Flughafen aneinandergereiht, wartend auf den Einsatz. Daneben Pavillons, Tische und Bänke, ein Grill, Kuchen, Bier, Wein – schliesslich gibt es ja etwas zu feiern.

«Es ist ein sehr umfangreiches Hobby», erklärt einer der Besucher an der Eröffnung die Faszination am Modellfliegen. Man müsse viel wissen, über Technik und Thermik etwa, erklärt er, und auch das feinmotorische Gefühl müsse trainiert werden. Vor allem aber sei es ein Hobby, das das ganze Jahr über beschäftigen kann: im Winter mit zusammenbauen, üben am PC mit dem Flugsimulator, während im Sommer dann Flugsaison ist. Damit hier an der Hard­ackerstrasse geflogen und gelandet werden kann, wird der Rasen nicht nur gemäht, sondern sogar mit einer Walze geebnet. Auf dem Kiesweg in der Nähe ein oranges Warnschild, auf dem «Flugzeuge» steht.

Der Flugplatz ist politisch

Doch am Ende ist die Eröffnungsfeier weniger eine Eröffnungsfeier, sondern eher ein Lobbyanlass, klärt Walter Schärer, Präsident der Modellfluggruppe, auf. Denn auch die Gemeinderäte Adrian Mayr (parteilos) und Edgar Benz (SVP) sowie Gemeindepräsident Markus Mötteli (CVP) lassen sich blicken. Das Ziel von MG-Dietikon-Präsident Walter Schärer: die Politiker auf seine Seite zu ziehen.

Der Aufbau des Modellflugplatzes war ein zweijähriges kafkaeskes Unterfangen, das genau genommen noch immer andauert: Während alles, wobei das Bauamt und Gesuche involviert sind, naturgemäss bürokratisch diffizil und tendenziell langwierig ist, funkte im Falle der MG Dietikon zusätzlich das Coronavirus in den Prozess. Wenig später kam trotz Bewilligung des Kantons eine Absage der Gemeinde im Bezug auf die gewünschten Parkplätze. Als das dann – nicht zur Zufriedenheit der MG – geregelt war, starb der Bauer, der das Land pachtet, auf dem der Modellflugplatz sich befindet. Da das Land der Ortsbürgergemeinde gehört und sich in der Landwirtschaftszone befindet, muss der Gemeinderat die im Normalfall landwirtschaftliche Nutzung einer anderen vorziehen. Bei der Entscheidung, ob die MG Dietikon auch in Zukunft den eben eröffneten Modellflugplatz nutzen kann, hat aber auch die Erbengemeinschaft des Bauern ein Wörtchen mitzureden. Man sieht: Es ist kompliziert.

Dass der Gemeinderat der Landwirtschaft den Vorzug gibt, ist für den MG-Präsidenten unverständlich, schliesslich würde der MG mehr Pacht zahlen, als der Bauer mit dem Land erwirtschaften könnte. Zum Zweiten hat er den Eindruck, Modellflug werde nicht so ernst genommen, wie er es verdient hätte: «Modellflug ist kein Hobby», sagt Schärer, «es ist ein Sport.» Tatsächlich werden auf der ganzen Welt Modellflugmeisterschaften ausgetragen. Einer, der hier auch auf dem Platz fliegt, einen grossen benzinbetriebenen Flieger, war schon an den Welt- und den Europameisterschaften weit vorne mit dabei. Der Pilot vollführt auf beeindruckend kontrollierte Art Kunststücke aus. Am Ende klatschen die anderen Anwesenden Beifall. «Dafür muss man lange fliegen», sagt einer der Klatschenden anerkennend. Für Schärer Grund genug, ernster genommen zu werden: «Fussballclubs haben auch ihre Felder, Reiter auch ihre Reitwege, Biker ihre Trails.» Für Gemeindepräsident Markus Mötteli geht es dabei aber um etwas anderes, nämlich ums Gesetz, und daran müsse man sich halten. Gemeinderat Adrian Mayr sagt, die Gleichbehandlung sei wichtig, würde man nicht alle gleich behandeln, schüfe man damit einen Präzedenzfall, mit dem schwierig umzugehen wäre. Im Gemeinderat sei man aber zum Dialog bereit, erklärt Mötteli, und wenn es gute und neue Argumente gebe, könne man das in Betracht ziehen. Versprechen konnte er aber nichts. Überrascht aber waren er und Edgar Benz, als es um die Lautstärke ging: Gerade die akkubetriebenen Flieger waren bis auf ein Surren kaum zu hören und selbst der grosse Benziner knatterte vergleichsweise leise.

Auch die Limmatwelle durfte einen Flugversuch wagen. Wie im Fahrunterricht konnte dabei einer der erfahrenen Piloten jederzeit mit seiner Fernbedienung den Flieger übernehmen, um damit in prekären Situationen einen Absturz zu verhindern. Um die womöglich besorgte Leserschaft zu beruhigen: Beim Flug der Limmatwelle gab es keine Verletzten.

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