Bücher und Filme verbinden

Am 26. Mai ist Schweizer Vorlesetag. Aber kann dieser derzeit angemessen zelebriert werden? Ich habe eine kleine Reise durchs Limmattal gemacht und bin in meiner Heimatbibliothek in Spreitenbach angekommen.

Bibliotheksleiterin Claudia Trefz. (Bild: Graziella Jämsä)
Bibliotheksleiterin Claudia Trefz. (Bild: Graziella Jämsä)

Meine Recherchen haben klar gezeigt: Allerorten würden die Mitarbeitenden der Bibliotheken gerne Gäste empfangen. Doch die aktuellen Gegebenheiten führen in Neuenhof und Würenlos dazu, dass man sich auf die Beratung konzentriert. In Wettingen steht einzig die Lesung mit Usama Al Shahmani an. Diese musste bereits einmal verschoben werden und fällt jetzt zufälligerweise in die Woche des Vorlesetags. Weitere Veranstaltungen finden keine statt. Katrin Diab, stellvertretende Leiterin der Bibliothek: «Wenn auch schweren Herzens haben wir beschlossen, nicht am Vorlesetag teilzunehmen.»

Währenddessen werden in Spreitenbach Filme gedreht. Was das mit Vorlesen zu tun hat, möchte ich mir vor Ort erklären lassen. Ich vereinbare einen Termin mit Bibliotheksleiterin Claudia Trefz. Ich bin gespannt, denn Spreitenbach war die erste Bibliothek, die ich je betreten habe. Als Siebenjährige mit meiner Schulklasse. Ich stand staunend in den Regalgängen: all diese Geschichten nur für mich (meine Kameraden blendete ich dezent aus). Ich trug kiloweise Bücher nach Hause und wieder zurück. Claudia Trefz empfängt mich, wir machen einen Rundgang. «Der obere Stock gehört Kindern und Jugendlichen. Vom Eingang aus rechts gesehen sind die Kinderbücher untergebracht.» Die Regale in der Mitte sind weg. «Ja, mit den drei Tischen wollten wir zusätzlichen Raum für gemeinsames Arbeiten und Spiele schaffen.» Die Jugendbücher seien jetzt links des Eingangs untergebracht. Und die Sachbücher? «Alles Schulrelevante ist entlang der Wände untergebracht. Sachbücher für Erwachsene sind im Untergeschoss.»

Wir gehen die breite Wendeltreppe hinunter und lassen uns mit genügend Abstand in den Sesseln nieder. Wir haben uns schon auf dem Rundgang über die neue Zusammensetzung des digitalen und analogen Medienkonsums unterhalten. Wie gestalten sie in diesem Umfeld den Vorlesetag vom 26. Mai? «Wir verbinden.» Claudia Trefz schmunzelt, bevor sie weiterfährt: «Für Kinder haben wir einen Film nach Art des Kamishibai (Schaukästen mit Papierfiguren) gemacht. Man sieht die Bilder von «Mama, da steht ein Bär vor der Tür», während Claudia Steiner und ich aus dem Off erzählen.» Der Film sei exklusiv nur am Vorlesetag als Livestream zwischen 14 und 18 Uhr jeweils zur vollen Stunde geschaltet. «Aber auch die Erwachsenen gehen nicht leer aus. Wir haben eine Bücherpräsentation als Dialog inszeniert und aufgenommen.»

Von der Sprachentwicklung bis zur Sprachförderung

Welche Bedeutung hat das Vorlesen für sie? Claudia Trefz muss nicht lange überlegen. «Vorlesen ist der Ursprung. Bei Kleinkindern geht es um Sprachentwicklung, später ist es Sprachförderung und natürlich die Basis fürs eigene Lesen der Mädchen und Buben.» Sie hält einen Moment inne. «So formuliert, klingt das trocken. Vielleicht könnte man sagen: Vorlesen ist der Funke, den ich aus meiner eigenen Sprachbegeisterung weitergebe. Wenn ich eine Geschichte zum Leben erwecke, Stimmen nachahme, Kindern Fragen stelle, sie mitmachen lasse – dann habe ich die Chance, dass es sie packt.» Funktioniert das auch mit einem Film? «Es ist nicht dasselbe – weder für Vorlesende noch für das Publikum», gibt Claudia Trefz offen zu. «Aber wir wollen den Bibliotheksalltag so lebendig wie möglich gestalten. Wenn das heisst, wir brauchen neue Wege, dann werden wir sie ausprobieren. Sich fremde Welten erlesen ist zu wichtig, das darf man nicht verschieben.» Claudia Trefz und ich sind völlig einer Meinung. Und mein Gefühl in diesen Räumen hat sich nicht geändert. Diese Bibliothek ist mein Schlaraffenland.

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