Der Mann mit den drei Berufen geht in Pension

Martin Frey arbeitet seit über 40 Jahren auf der Gemeindeverwaltung Wettingen. Der Leiter Finanzen wird nun vorzeitig pensioniert.
Ein gutes halbes Jahr bevor der neue Gemeindeammann, die neuen Gemeinderats- und Einwohnerratsmitglieder ihre Arbeit in Wettingen aufnehmen, sagt Martin Frey (63) auf Wiedersehen. Der Leiter Finanzen wird dann stolze 41,5 Jahre für die Gemeinde auf der Verwaltung gearbeitet haben. «Viele sagen, ich kann es mir gar nicht vorstellen, so lange an einem Ort zu arbeiten. Doch weil ich immer neue Vorgesetzte erhielt, war es sehr abwechslungsreich.» Man müsse sich dies so vorstellen, wie wenn in einer Firma alle vier Jahre ein neuer Geschäftsleiter beginnt mit anderen Ansprüchen.
Erlebnisse würden Bücher füllen
Am 1. Oktober 1983 fing Martin Frey als junger Mann auf der Verwaltung an. Die kaufmännische Lehre hatte er auf der Gemeindeverwaltung seines Wohnortes Birr absolviert. «Darüber, was ich erlebt habe, könnte man Bücher schreiben. Es ist sicher eher selten, dass jemand so lange am selben Ort arbeitet. Ich habe die ganze Entwicklung mitgemacht. Wenn man nur die Gemeindeammänner anschaut: Die Ära Lothar Hess, da wurde richtig angerichtet, da hatte man viel Geld. In den 80er-Jahren wurde die Gemeinde praktisch schuldenfrei. Dann kam die Ära Karl Frey, das war eher Verwaltungszeit, konsolidieren, dann kam der heutige Regierungsrat Markus Dieth, ihn hatte ich zuvor schon als Finanzkommissionspräsident gekannt. Das war die Zeit, Strategie vorwärts, wir machen etwas. Dann kam Roland Kuster, diese Ära ‹für ein Wettingen mit Zukunft› läuft jetzt mit meiner Zeit Ende Jahr aus. Das ist eine lange Zeit und sagt schon viel aus.»
Martin Frey hat die Zahlen von Personen, die er kommen und gehen gesehen hat, zusammengerechnet: «Ich habe wahrscheinlich 200 Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte sowie rund 30 Gemeinderäte erlebt. Ich habe nicht nachgerechnet, aber angenommen, dass jemand zwei Amtsperioden lang bleibt.»
Drei verschiedene Berufe
Wenn Martin Frey über sein Berufsleben spricht, dann von drei verschiedenen Berufen. Zu Beginn war es die Informatik, dann kam die Funktion stellvertretender Finanzverwalter und schliesslich wurde er Leiter nach einer umfassenden Verwaltungsanalyse. «Die erste leistungsorientierte Verwaltungsanalyse (Lova 1) 1995 war sehr umfassend. Damals gab es noch 14 Verwaltungsabteilungen, später waren es noch 5.»
Bei all den positiven Erfahrungen, was stuft Martin Frey als negativ ein? «Wenn wir als Fachleute alles so hätten machen können, wie wir es für richtig hielten, dann würden wir heute an einem anderen Ort stehen.» Die Politik komme da einem schon in den Weg. «Wir wären mit dem Steuerfuss sicher nicht so weit runter. Das war halt die Politik, die das gesteuert hat.»
Gerade die Thematik mit dem Steuerfuss, das gebe ihm schon zu denken. «Wir haben ein Einnahmenproblem, aber irgendwie bringt man das politisch nicht durch.» Natürlich bezahlt niemand gern mehr Steuern. «Wenn man zu Hause den Stimmzettel vor sich hat, kreuzen viele bei der Frage nach der Steuerfusserhöhung ‹Nein› an, das sieht niemand. «Bei einer Gemeindeversammlung muss man aber dazu stehen, das wird gesehen.»
Es gebe viele Errungenschaften in Wettingen. «Wenn ich momentan Wettingen mit einem Häuschen und einem schönen Garten vergleiche, dann sehe ich viele, die mit einem grossen Hammer an der Fassade rumklopfen. Man ist daran, die Errungenschaften wieder kaputt zu machen. Irgendwann fällt das Häuschen zusammen und niemand will mehr dort wohnen und arbeiten. Damit habe ich Mühe», sagt Martin Frey. Man merkt, dass ihm Wettingen ans Herz gewachsen ist und er nur das Beste für die Gemeinde möchte. «Wenn es so weit kommen sollte, dass der Kanton sagt, wo es durchgeht, dann fände ich das peinlich.»
Doch wie kommt Wettingen aus den Schulden raus? «Indem man effektiv den Steuerfuss anpasst. Auch wenn man diesen auf 105 Prozent raufsetzt, dann sind wir immer noch nicht ausserirdisch. Ausserdem haben wir zu wenige Gewinnsteuern juristischer Personen. Wenn man nun hört, eine internationale Firma wolle sich hier ansiedeln, dann könnte dies helfen. Dann wären strukturelle Probleme weitgehend gelöst und man könnte die Steuerfussfrage etwas entkrampfen.»
Ehemaliger Zehnkämpfer
Martin Frey feiert am 20. Juli seinen 63. Geburtstag. Ende Juli wird er sich dann verabschieden. «Ich werde vor allem mein tolles Team, meine Wegbegleiter vermissen. Wir haben super Leute in der Verwaltung, auch meine Kollegen in den Abteilungsleitungen werde ich vermissen.» Martin Frey bezeichnet sich selbst als «Dinosaurier». Durch die grosse Erfahrung kämen auch viele zu ihm, wenn sie Fragen hätten. Auch in der Pension dürften sich die Verwaltungsangestellten gerne bei ihm melden. «Ich werde aber nicht mehr im Rathaus auf der Matte stehen.»
Einige Pläne hat der ehemalige Zehnkämpfer: «Ich bin leidenschaftlich gern unterwegs mit dem Velo und seit kurzem stolzer Besitzer eines Ruderbootes. «Wir haben uns verliebt in die Region Murtensee, Seeland und besitzen dort eine Ferienwohnung.» Mit uns meint er sich und seine langjährige Partnerin. Ausserdem freut er sich darauf, mehr Zeit für die schon pensionierten Kollegen, die Enkeltochter und den Garten zu haben.