Der Traum ist nochnicht geglückt

Der Traum des eigenen Gasthofs hat sich für Sabrina und Serkan Ates vorerst als Albtraum entpuppt.

Serkan und Sabrina Ates geben Einblick in die neu renovierten Hotelzimmer. Foto: bär
Serkan und Sabrina Ates geben Einblick in die neu renovierten Hotelzimmer. Foto: bär

Das neue Pächterpaar Ates hätte nicht gewusst, dass im Hotel Bahnhof früher auch Prostituierte wohnten und das Restaurant und Hotel dadurch in der Bevölkerung einen anrüchigen Ruf geniesst. «Wir bekommen das jetzt zu spüren, die Gäste bleiben aus», sagt das Paar. Es sei keine Seltenheit, dass mehrere Tage kein einziger Gast im Restaurant auftauche. «Wir kommen nur dank massiven finanziellen Einschränkungen im Privatbereich und den Einnahmen der Hotelzimmer über die Runden», so Sabrina Ates.

In einem Teil der vier Doppel- und sechs Einzelzimmer wohnen Dauergäste, zurzeit eine Studentin, Gastarbeiter und Personen, die vom Würenloser Sozialamt einquartiert worden sind. Selten hingegen würden Geschäftsreisende im Bahnhöfli übernachten. Dies sei zwar weniger wegen des schlechten Rufs als vielmehr wegen des niedrigen Standards, wie etwa Etagendusche. «Das Gebäude ist alt und der Eigentümer will keine Investitionen tätigen.» Deshalb hat die Familie während der Betriebsferien über Weihnachten mit Freunden in den Hotelzimmern in Eigenregie Laminate verlegt, Wände gestrichen und Tapeten gewechselt. Sie hoffen, so auch ab und zu neue Gäste zu gewinnen.

Damit ist jedoch das Problem der fehlenden Restaurantgäste noch nicht gelöst. «Wir haben unser ganzes Privatvermögen in die Einrichtung investiert», sagt Sabrina Ates. Aufgrund der eigenen moralischen Wertvorstellungen und der Stärkung des Rufs werde man jedoch trotz Geldsorgen auf die Einquartierung von Prostituierten verzichten. Würden die Gäste jedoch auch weiterhin ausbleiben, müsse man langfristig schliessen.

War es nicht ein bisschen naiv, sich vor der Übernahme nicht über die Hintergründe des «Bahnhöfli» zu informieren? «Im Nachhinein schon. Doch uns wurden falsche Umsätze gezeigt, wir gingen deshalb von ganz anderen Voraussetzungen aus», sagt Sabrina Ates. Und sie hätten Glücksgefühle gehabt. Der Traum des eigenen Geschäfts hätte sie alle Warnsignale überhören lassen.

Vizeammann Toni Möckel bedauert, dass die Gäste ausbleiben. «Obwohl sie auf das Geld des Zuhälters verzichten und das Bahnhöfli auch sonst aufgewertet haben, bleiben die Gäste aus.» Er versucht, die beiden so gut es geht zu unterstützen, ist schon mit etlichen Gästen im Bahnhöfli eingekehrt und hat beispielsweise mit seinen Geburtstagsgästen im grossen Saal gespeist. «Es ist heller und freundlich geworden und ich kann das Essen nur weiterempfehlen», sagt Möckel.

«Ich habe nach der Übernahme eine ganze Woche lang nur geputzt, wir haben Wände und Decken hell gestrichen und auch den Saal und den Bar-Bereich renoviert», sagt Sabrina Ates. Auch die Menükarte habe man neu kreiert. «Meine Spezialität sind hausgemachte Fajitas und amerikanische Hamburger. Sogar das Hamburgerbrot mache ich selber», sagt Serkan Ates. Der gebürtige Türke hatte sich in seiner Heimat zum Hotelgastronom ausbilden lassen und danach mehrere Jahre auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet. Seit fünf Jahren lebt der 31-Jährige in der Schweiz und hat im Freiamt und in Baden in mehreren Hotels gearbeitet. Die Berlinerin Sabrina Ates hingegen ist Steuerfachfrau und hat als Flugbegleiterin und zuletzt als Personalassistentin gearbeitet. «Für den Traum des eigenen Gastrobetriebs habe ich meinen Job aufgegeben.» Diesen Traum will sie trotz schlechtem Anfang noch nicht aufgeben.

Um sich im Dorf zu integrieren, sind sie dem Gewerbeverein beigetreten, haben schon für den Seniorenmittagstisch gekocht und wollen auch an der Würenloser Gewerbemesse im April mitmachen. Sie überlegen sich, die Nachbar einzuladen, um ihnen das neue Bahnhöfli vorzustellen, wo heute ein junges Ehepaar mit ihren vierjährigen Zwillingen versucht, sich einen Traum zu verwirklichen, der im Moment eher noch ein Albtraum ist.

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