Die Asylsuchenden können bald einziehen

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, damit im Mai die ersten Asylsuchenden an der Rebbergstrasse einziehen können. Es ist eine zweijährige Zwischennutzung, bevor auf dem Areal Terrassenhäuser entstehen. Am Samstag kann die Bevölkerung die Räume besichtigen.

Die Zimmer im ehemaligen Altersheim werden für 230 Asylsuchende eingerichtet, bis vor zwei Jahren lebten rund 100 Seniorinnen und Senioren am Lägernhang in Wettingen. Melanie Bär

Die Zimmer im ehemaligen Altersheim werden für 230 Asylsuchende eingerichtet, bis vor zwei Jahren lebten rund 100 Seniorinnen und Senioren am Lägernhang in Wettingen. Melanie Bär

Mitte letzter Woche stand ein Dutzend Autos auf dem Parkplatz vor dem Eingang des ehemaligen Alterszentrums St. Bernhard am Lägernhang, die Hälfte davon Lieferwagen. Im Büro hinter dem Empfang schliessen Informatiker des Kantons gerade die Infrastruktur an. «Kann ich kurz deinen Schlüssel haben?», fragt ein Mann Monika Lindner. Sie ist die Leiterin der kantonalen Asylunterkunft, in die im Mai die ersten Asylsuchenden einziehen werden. Der Mann ist einer der elf Betreuungspersonen, die ab Mai im 14-Stunden-Schichtbetrieb im Asylzentrum arbeiten und gerade mithelfen, die Betten in den Zimmern aufzustellen.

«Dieser Gebäudeteil wird zuerst belegt», sagt Lindner und öffnet die Tür zu einem der Räume im Haus 2. Die Belegung erfolgt Schritt für Schritt. Lindner geht davon aus, dass bis im Herbst alle 230 Plätze belegt sind. «Es hängt davon ab, welche Personen uns zugewiesen werden, wie die Konstellation ist.» Kriterien wie Familienkonstellation, gesundheitliche Aspekte, Kultur oder Persönlichkeit und deren Zusammensetzung entscheide, wie ruhig der Betrieb später funktioniere.

9300 Asylsuchende im Aargau

Per Anfang April lebten im Kanton Aargau 9300 Asylsuchende. Mit den Plätzen in Wettingen erweitert man die Kapazität. Aufgrund des momentanen Bedarfs hat der Kanton entschieden, in Wettingen Familien einzuquartieren. Aus Erfahrung weiss Lindner, dass viele Familien zu viert anreisen, deshalb sind in den meisten Zimmer zwei Kajütenbetten aufgestellt.

Immer wieder Wechsel

Für die Familien ist es nicht die erste Station auf ihrer Reise. Bei der Ankunft werden die Flüchtlinge im Bundesasylzentrum aufgenommen und danach in ein Erstaufnahmezentrum an die Kantone verteilt. Im Aargau befindet sich dieses in Buchs. Dort finden Eintrittgespräche und Abklärungen statt und es werden Sozialhilfegesuche gestellt, die der Kantonale Sozialdienst prüfen muss. Je nach Status ziehen sie danach in eine Kantons- oder Gemeindeunterkunft. «Im besten Fall dauert es zwei bis drei Monate, bis der Bund einen Asylentscheid fällt», sagt Lindner und fügt an, dass es aber auch Jahre dauern könne.

Lindner zeigt auf die Nasszelle im Zimmer und sagt: «In fast jedem Zimmer gibt es ein Bad. Das haben wir selten und ist ein grosser Vorteil dieses Standorts. Denn je mehr Privatsphäre die Menschen haben, desto ruhiger funktioniert das Zusammenleben.» Das sei besonders in einer Unterkunft dieser Grösse wichtig; mit 230 Plätzen werden in Wettingen am meisten Asylsuchende in einer Unterkunft beherbergt. Deshalb habe man mit elf Mitarbeitenden auch mehr Betreuungspersonen im Einsatz. Gemäss Kanton ist normalerweise eine Person für 35 Erwachsene im Einsatz. An sieben Tage pro Woche arbeiten die Mitarbeitenden im Schichtbetrieb zwischen 7 bis 21 Uhr. Danach patrouilliert ein externer Sicherheitsdienst. «Das ist aufgrund der grossen Anzahl Personen nötig, die hier lebt», begründet die Fachfrau.

Von 100 auf 230 Betten

Ehe Monika Lindner die Tür des hellen Zimmers schliesst, von dem aus man einen prächtigen Blick aufs Dorf hat, mutmasst sie: «Das wird ein beliebtes Zimmer sein.» Wer welches Zimmer bekommt, führe unter den Asylsuchenden manchmal zu Diskussionen. «Die Zuteilung hängt von der Konstellation ab», sagt sie und zeigt auf das gegenüberliegende Zimmer, in dem nur ein Bett Platz hat und das keine Nasszelle aufweist. «Idealerweise bekommt das Viererzimmer eine Familie mit einem zusätzlichen Teenager, der hier untergebracht werden kann und so ein bisschen mehr Privatsphäre hat und das Bad der Eltern mitbenutzen kann.»

Sechs Monate interner Unterricht

Vor neun Jahren ist Lindner, die einst medizinische Praxisangestellte war, Germanistik und Volkskunde studierte und sich unter anderem in der Psychotherapie weitergebildet hat, als Betreuerin in den Asylbereich eingestiegen. «Ich sehe sehr viel Sinn in meiner Arbeit, die sehr abwechslungsreich und nie langweilig ist», begründet sie den Berufswechsel.

Mittlerweile ist sie auf der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes angekommen. «Reserviert EVK Klassenzimmer 1 Oberstufe» steht auf dem weissen Papier, das an der Wand neben der Tür klebt. «Hier findet der Einschulungsvorbereitungskurs (EVK) statt», erklärt Lindner. Lehrpersonen, die vom Kanton angestellt wurden, werden die Kinder darin ein halbes Jahr intern unterrichten. Danach können sie in die öffentliche Regelschule wechseln. «Damit nicht nur die Standortgemeinde belastet wird, werden die Kinder auch an Schulen in anderen Gemeinden zugewiesen», sagt Linder, läuft die Treppe hoch und bleibt in der Küche im ersten Stock stehen. Darin befindet sich noch immer die Industrieküche, in der einst für die rund 100 Bewohnenden des Altersheims gekocht wurde. Die stählerne Arbeitsfläche glänzt. Mit Blick auf die danebenstehende Kühlzelle sagt Lindner: «Hier werden die Familien ihre abschliessbaren Foodboxen aufbewahren können.»

Familie kocht für sich

Erwachsene erhalten pro Person und Tag Fr. 8.50 plus 1 Franken Taschengeld, Kinder unter 16 einen Franken weniger. Damit müssen sie auch das Essen kaufen und selbst kochen. Deshalb wurden zusätzlich 12 Kochherde in die Grossküche gestellt. Beim Kochen geht es nicht nur um Beschäftigung, sondern auch, um ein Stück Alltag zu bewahren. «Meistens kocht jede Familie für sich», weiss Lindner. Auch die eigenen Räume müssen die Bewohnenden selbst reinigen. Für die Gemeinschaftsräume besteht ein Putzplan. «Mit so vielen Leuten ist das auch für uns Neuland», sagt Linder. Deshalb sei es ihr wichtig gewesen, neben Quereinsteigern auch Fachleute anzustellen. Einer verabschiedet sich gerade von Monika Lindner, die sich bei ihm fürs Mithelfen beim Bettenaufstellen bedankt. Der gebürtige Syrer spricht arabisch. «Sich mit den Leuten verständigen zu können, ist ein riesiger Vorteil, wenn man sich gut abgrenzen kann. Denn die Landsleute wenden sich dann natürlich vermehrt an diese Betreuenden.»

Nachbarn bieten Hilfe an

Bevor sich auch Lindner verabschiedet, geht sie nochmals durch die Räume und bleibt im ehemaligen Speisesaal stehen, der als Gemeinschaftsraum umgenutzt wird. Denn neben den Alltagsarbeiten, dem Besuchen des Schul- und Deutschunterrichts bleibt noch Zeit. Anwohner und ein Kindergarten haben bereits grosses Interesse gezeigt, sich auf freiwilliger Basis zum Wohle der Asylsuchenden einzusetzen und bei der Freizeitgestaltung mitzuhelfen. «Es zeichnet sich ab, dass etwas Gutes entsteht, auch weil die Lage und das Gebäude optimale Voraussetzungen dafür schaffen», sagt Lindner mit Blick auf den Innenhof.

Gut möglich, dass dort, wo jetzt noch Handwerkerautos stehen und in rund zwei Jahren dann ein Neubau entsteht, bald Kinder herumrennen werden. Bevor die Asylsuchenden einziehen, hat die Bevölkerung Gelegenheit, die eingerichteten Räume an der Rebbergstrasse 24 anzuschauen am Tag der offenen Tür am Samstag, 20. April, von 10 bis 12 Uhr.

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