Integrationsprojekt: Hier trifft Fondue auf syrischen Kebab

Im Rahmen des Caritas-Projekts «Co-Pilot» treffen Daniela und Martin Aysen aus Wettingen regelmässig eine Familie aus Syrien.

Iman Kurbesa <em>bereitet Dönerspiesse von Hand vor. </em><em>Barbara Scherer</em>

Iman Kurbesa <em>bereitet Dönerspiesse von Hand vor. </em><em>Barbara Scherer</em>

Khaled Deeb zeigt Daniela Aysen<em> wie ein Fladenbrot korrekt geöffnet wird.</em>

Khaled Deeb zeigt Daniela Aysen<em> wie ein Fladenbrot korrekt geöffnet wird.</em>

Mira und Ilay <em>sind beide zwei Jahre alt.</em>

Mira und Ilay <em>sind beide zwei Jahre alt.</em>

Zusammen <em>macht es mehr Spass.</em>

Zusammen <em>macht es mehr Spass.</em>

Syrische Spezialitäten <em>haben Iman Kurbesa und Khaled Deeb für das Grillfest vorbereitet.</em>

Syrische Spezialitäten <em>haben Iman Kurbesa und Khaled Deeb für das Grillfest vorbereitet.</em>

Eltern <em>schaukeln auch gerne.</em>

Eltern <em>schaukeln auch gerne.</em>

Der Kinderwagen ist voll bepackt: Tupperware voller Fleisch, ein grosses Tuch, ein Sack Holzkohle und ein Grillrost. Knapp hat die zweijährige Mira noch Platz im Wagen. Iman Kurbesa und ihr Mann Khaled Deeb schieben den überfüllten Kinderwagen langsam über die Holzbrücke, die Schotterstrasse hinunter zur Feuerstelle.

Dort warten bereits Daniela und Martin Aysen mit ihren beiden Kindern Malia (4) und Ilay (2) aus Wettingen. Heute treffen sich die zwei Familien am Kappisee in Baden zum Grillieren. Ein normales Treffen unter Freunden – fast. Denn kennen gelernt haben sie sich über das Mentoring-Projekt der Caritas Aargau «Co-Pilot».

Integration zusammen mit Einheimischen

Seit Anfang Jahr helfen Freiwillige in der Region Baden und Aarau Flüchtlingen bei der Integration in die Schweizer Gesellschaft. Dabei verbringen die Freiwilligen ein Jahr lang, sechs bis acht Stunden pro Monat mit den Flüchtlingen und unternehmen gemeinsam etwas.

Daniela Aysen wurde über ein Inserat in der Zeitung auf das Projekt aufmerksam: Sie war sofort dabei. «Ich wollte etwas für und mit geflüchteten Menschen machen, da kam das Projekt genau richtig», so Daniela Aysen. Wichtig sei ihr nur gewesen, dass es eine Familie mit Kindern im ähnlichen Alter ist.

Die 33-Jährige setzt sich mit Iman Kurbesa (23) an den schweren Holztisch. Den ganzen Morgen hat die junge Syrerin damit verbracht, Dönerfleisch mit Petersilie zu mischen. Jetzt drückt sie die klebrige Fleischpaste an Holzstäbchen zusammen zu Grillspiessen.

Verstehen ohne Sprache und sonst Google fragen

Iman Kurbesa spricht nur wenige Wörter Deutsch, ein DeutschIntensivkurs steht noch an. Doch ein paar Handgesten reichen aus, und Daniela Aysen weiss, wie sie helfen kann: Die marinierten Pouletstücke müssen ebenfalls zu Grillspiessen verarbeitet werden.

«Wir schreiben uns auch oft SMS auf Deutsch und Syrisch und übersetzen sie dann», sagt Daniela Aysen. Iman Kurbesa nickt und fügt an «Ja, zum Glück gibt es Google.» Beide beginnen zu lachen.

Während die beiden Frauen am Tisch mit dem Fleisch beschäftigt sind, tollen die drei Kinder auf der Wiese einem Ball hinterher.

Aus Fremden sind freunde geworden

Khaled Deeb kümmert sich derweil um den Grill: Der 34-Jährige hat seinen eigenen kleinen Bratrost mitgebracht. Martin Aysen steht etwas hilflos daneben: «Wir durften gar nichts vorbereiten, sie haben alles mitgebracht», sagt er lächelnd.

Der 35-Jährige war sofort dabei, als seine Frau die Teilnahme am Caritas-Projekt vorgeschlagen hat. «Inzwischen sind wir einfach gute Freunde, die sich gerne treffen», sagt Martin Aysen.

Vorgaben benötigen die beiden Familien nicht, mehrmals im Monat treffen sie sich entweder in Nussbaumen bei Iman Kurbesa und Khaled Deeb oder bei der Familie Aysen in Wettingen.

Am Tisch und am Boden essen

Beim ersten gemeinsamen Essen trafen sich die Familien in Nussbaumen. Wie in Syrien üblich, wurde am Boden gegessen. «Das nächste Treffen war dann bei uns mit Tisch. Als wir dann wieder bei ihnen waren, haben sie extra ihren Tisch gedeckt. Dabei benutzen sie den gar nie», sagt Daniela Aysen schmunzelnd. Seither sei klar: In Nussbaumen wird am Boden gegessen, in Wettingen am Tisch.

Das Feuer brennt, der Grill ist parat für die Fleischspiesse.

Integration, das ist dem syrischen Paar wichtig. Schon öfters waren die beiden mit Vorurteilen und Anfeindungen konfrontiert. «Dabei gehören sie schon voll hierher», sagt Martin Aysen.

So absolviert Khaled Deeb im Moment ein Praktikum als Grafikdesigner in Zürich. «Jetzt muss ich einen weiteren Deutschkurs absolvieren, dann habe ich die Aussicht auf eine Festanstellung», sagt Khaled Deeb mit freudiger Stimme.

Nach Folterung geflüchtet

Er ist vor vier Jahren in die Schweiz geflüchtet. In Syrien wurde er vom Militär gefoltert. Nur knapp kam er mit seinem Leben davon und lernte seine heutige Frau in Damaskus kennen. Doch im Land konnte er nicht bleiben und flüchtete nach Europa. Vor fast drei Jahren konnte dann auch Iman Kurbesa in die Schweiz einreisen.

Seither leben die beiden mit Tochter Mira in Nussbaumen. Daniela und Martin Aysen helfen ab und zu auch mit administrativen Angelegenheiten oder Arztbesuchen. Doch meistens treffen sich die Familien einfach nur, um gemeinsam Zeit zu verbringen.

Der Geruch von Dönerfleisch erfüllt die Luft. «Essen», ruft Khaled Deeb und holt die Spiesse vom Grill. Das grosse Tuch auf der Wiese bleibt leer: Heute essen alle gemeinsam am Tisch.

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