Die Kraft der Freude zählt

Auf den Tag zehn Jahre lang hat sich die 62-jährige reformierte Sozialdiakonin Erika Steiner aus Brugg der «Seelenpflege» gewidmet. Nun ist sie von ihrer Stelle zurückgetreten und will sich in Zukunft neuen Aufgaben widmen.

Die pensionierte Sozialdiakonin Erika Steiner erzählt bei einem Kaffee von ihrem Leben und ihren Plänen. Foto: ll
Die pensionierte Sozialdiakonin Erika Steiner erzählt bei einem Kaffee von ihrem Leben und ihren Plänen. Foto: ll

«Mein eigentlicher Traumberuf war ‹Pfärztin›», sagt Erika Steiner. Der Schalk blitzt aus ihren blauen Augen, denn in der Tat, diese berufliche Eigenkreation bedarf einer Erklärung. «Ganz einfach, ich wollte eine Mischung aus Pfarrerin und Ärztin sein», fügt sie erklärend an. «Die Frage, was Heilen ausmacht, hat mich immer interessiert.»

Doch das Leben hatte für die junge Erika, die in der Region Brugg aufgewachsen war, anderes vor: Sie absolvierte eine KV-Lehre, heiratete jung, wanderte mit ihrem frisch Angetrauten für einige Jahre nach Australien aus. Dann zog das Paar zurück, zwei Töchter wurden geboren, das Leben nahm seinen ruhigen Lauf. «Mit 35 verspürte ich den Wunsch, mich nochmals neu zu orientieren», erzählt sie. Dabei folgte sie ihrem Lebensmotto «Anfangen und Ausprobieren». Sie entschied sich, Theologiekurse zu besuchen mit dem Ziel, später als Sozialdiakonin zu arbeiten. «Die Religion hat in meinem Leben immer eine Rolle gespielt und ich wollte lernen, die Bibel für mich selbst zu erleben.» Also näherte sie sich diesem ur-protestantischen Gedanken in wöchentlichen Kursen in Aarau. Später besuchte sie Workshops zu Bibliodrama, wobei Bibelstellen in der Gruppe in Hinblick auf persönliche Erfahrungen diskutiert und ausgelegt werden. Der therapeutische Zugang, so unterstreicht Erika Steiner, sei dabei zentral.

In der Bibel suche sie keine moralischen Botschaften, sondern vielmehr «eine Inspiration für ein gutes Miteinander». Die Bibel böte ihr, ähnlich einem literarischen Werk, Inspiration für den Alltag. «Wenn die Religion zur Moral wird, fühle ich mich nicht mehr wohl.» So sei denn in ihren Augen die wichtigste Botschaft des Christentums die Liebe und Achtung vor den Mitmenschen. «Ich lebe das Christentum so, wie ich es verstehe.» Dies praktizierte sie in ihrer ersten Stelle beider Reformierten Kirchgemeinde Reim als Religionslehrerin und Leiterin einer Frauengruppe und führte es als Sozialdiakonin in Wettingen weiter.

Vor einigen Jahren hat Erika Steiner eine Coaching-Ausbildung begonnen und gibt Menschen in ihrer «Werkstatt für Seelenpflege» den so zentralen Blick für das Positive mit. «Im Leben zählt die Kraft der Freude», sagt Erika Steiner. «Der Begriff ‹Seelsorge› trifft es deshalb für mich nicht ganz», erklärt sie weiter. «Es geht darum, die Seelen zu pflegen!» Diese Erkenntnis habe sie im Alter von 53 nach der Scheidung und einer Darmkrebsdiagnose wie ein Blitz getroffen. «Ich nahm mir vor, meine Seele mehr zu pflegen.»

Erika Steiner ist ein vielseitig interessierter Mensch und immer auf der Suche nach Horizonterweiterungen. Zu ihren langjährigen Leidenschaften gehört die Kalligrafie. Sie ist fasziniert von alten Handschriften und besitzt rund 30 verschiedene Bibelausgaben. Ausserdem tanzt sie Tango, malt, singt Mantras und schreibt Gedichte. Ihre Pension stellt sie sich wieder «ganz einfach» vor: «Zwei Wochen als Coach und Kalligrafin arbeiten und dann zwei Wochen lang die Seele baumeln lassen.» Mit diesem Plan konnte sie auch die Schlüssel ihres Büros ohne Weiteres abgeben. «Mein Schlüsselbund ist nun einfach ein bisschen leichter», schmunzelt sie und meint zum Schluss, dass sie aus ihrer Zeit als Sozialdiakonin «kostbare Erfahrungen und Erinnerungen an wundervolle Menschen» mitnehme.

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