«DAS LETZTE WORT»

Von Melanie Bär, Redaktionsleiterin Limmatwelle

Für dieses «Letzte Wort» bin ich in den Estrich gestiegen. Ich wollte an dieser Stelle aus einem Artikel zitieren, den ich in den 90er-Jahren über das damals revolutionäre «world wide web» geschrieben habe. Als jüngstes Redaktionsmitglied wurde ich auserkoren, im Internet zu «surfen» und meine Erfahrung mit der Leserschaft zu teilen. Leider kann ich nichts zitieren – trotz Suche im Estrich habe ich das Magazin nicht mehr gefunden.

Das würde mir bei einem aktuellen Artikel nicht passieren. Dank eben diesem «world wide web» und Online-Archiven bleibt mir dafür sogar der Gang in den Estrich erspart. Mit KI, der Künstlichen Intelligenz, haben wir knapp dreissig Jahre später wieder eine Technologie, die Bisheriges revolutioniert – auch im Bildungsbereich. «Die Technologie hat das Potenzial, das bisherige Lernen in Frage zu stellen», sagt die Expertin für KI und Bildung, Stefanie Mauroux (Artikel S. 20/21 ). ChatGPT liefert nicht nur in Sekundenschnelle Ideen, sondern löst auch Aufgaben und beantwortet Fragen.

Effizienz- und Qualitätssteigerung, Zeitersparnis – das sind die positiven Folgen. Doch dafür zahlen wir einen Preis: «Fake Deep» heisst einer. Mit KI können Inhalte täuschend echt kopiert und für Betrug und Manipulation missbraucht werden. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität fordert ebenfalls ein Opfer: Sie führt zur Streichung von Arbeitsplätzen, die Berufsfelder verlagern sich immer mehr Richtung IT. Und das Tempo in der eh schon schnelllebigen Zeit wird noch schneller, lässt immer weniger Raum, um nach rechts oder links zu schauen. Es bleibt keine Zeit mehr für den Gang zum Estrich, der für mich aber eine willkommene Pause und Abwechslung war und bei dem ich einen anderen interessanten Artikel entdeckte. Für mich steht deshalb fest: Ich heisse KI willkommen, nutze sie aber mit gesunder Skepsis. Denn auch «www» hat nicht nur Gutes gebracht.

Feedback an: melanie.baer@chmedia.ch

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