Weihnachtstradition à la Provence

An den Wettinger Weihnachtstagen stellte der Chefkurator Museum Aargau Rudolf Velhagen seine provenzalische Krippe aus.

Rudolf Velhagen zeigt seine provenzalische Krippe an den Wettinger Weihnachtstagen. Gaby Kost
Rudolf Velhagen zeigt seine provenzalische Krippe an den Wettinger Weihnachtstagen. Gaby Kost

Wer während der Adventstage im Kloster Wettingen die Türen zum Parlatorium öffnete, dem kam ein spezieller Duft entgegen, der nicht sofort zugeordnet werden konnte. Eine grosse Weihnachtskrippe, um die sich ein ganzes Dorf mit all seinen Geschichten versammelt, präsentierte sich gut ausgeleuchtet: eine provenzalische Krippe. Hauptdarsteller sind sogenannte Santons (provenzalisch für «kleine Heilige»), die aus Terracotta erstellt und kunstvoll in Handarbeit bemalt sind. Die ausgestellten Figuren sind 9 Zentimeter gross und stammen vom berühmten Santonnier Marcel Carbonel aus Marseille.

Rudolf Velhagen ist Chefkurator vom Museum Aargau und Besitzer der fortlaufend wachsenden Krippe. Im Dezember 1998 unterrichtete er Kunstgeschichte in Marseille. Auf dem Krippenmarkt liess er sich von der Tradition der Weihnachtskrippe, die in der Provence tief verankert ist, beflügeln. Zuerst stapelten sich die ergatterten Santons auf seinem Büchergestell, bis der Platz nicht mehr ausreichte. Heute zeigen über 180 farbenfrohe Figuren detaillierte Szenen aus Bibel und Alltag und verkörpern das Schauspiel provenzalischer Kultur. Bauernhäuser, Dorfplätze und Brunnen sowie ein Fluss und ganze Landschaften bilden das Umfeld der kleinen Figuren.

Nebst den Figuren der Geburt Christi und dem dörflichen Alltagsleben widerspiegelt die provenzalische Krippe auch die literarische Bedeutung. So erscheint zum Beispiel «Mireille» von Frédéric Mistrals Liebesepos (1859), welche sich in einen Korbflechter verliebte. Eine weitere literarische Quelle sind die «Briefe aus meiner Mühle» von Alphonse Daudet (ab 1866). «Der Schriftsteller Daudet, der reiche Eltern hatte, schrieb die Briefe aber nicht etwa wie angenommen in einer Höhle unterhalb der Mühle, sondern in Paris», erklärte Velhagen und las aus einem der Briefe die bekannte Geschichte von der Ziege von Herr Seguin vor: Blanchette, die schneeweisse Ziege, flieht von der Freiheit gelockt in die Berge, wo der Wolf auf sie lauert. «Eine Windmühle und eine weisse Ziege, die sich von allen anderen Ziegen abhebt, ist ein Muss in einer provenzalischen Krippe». sagte Velhagen und zeigte mit dem Leuchtstab auf die Standortstellen hin.

Die Pastorale ist eine weihnachtliche Aufführung mit Gesängen und ebenfalls eine bedeutende Quelle für das Verständnis der Krippe. Mehrere Figuren in der Krippe sind von der «Pastorale Maurel» (1844) inspiriert, wie zum Beispiel der blinde Vater mit seinem Sohn Simon und dessen Bruder Chicoulet.

Am Schluss der Veranstaltung streute Velhagen getrocknete Kräuter aus der Provence über die Krippe. Spätestens jetzt war klar, woher der passende Duft im Raum kam.

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