76-jähriges Chormitglied ist sich sicher: «Singen ist gesund»

Marlene Wegmüller feiert Jubiläum – schon wieder, möchte man sagen. 60 Jahre singt sie nun im Kirchenchor.

Marlene Wegmüller in ihrer Wohnung an der Brüelstrasse in Spreitenbach Melanie Borter
Marlene Wegmüller in ihrer Wohnung an der Brüelstrasse in Spreitenbach Melanie Borter

Sie ist mit ihren 78 Jahren nicht das älteste Chormitglied, aber sie ist mit Abstand am längsten dabei. Seit 60 Jähren singt Marlene Wegmüller im Kirchenchor. Die ersten sieben Jahre in Egerkingen (SO) und danach im Kirchenchor Cäcilia in Spreitenbach. Wegmüller kann es selbst kaum fassen, dass ihr 50-Jahre-Jubiläum schon wieder zehn Jahre her ist. 

Werden die Jubiläen langsam zur Routine? «Man gewöhnt sich schon dran, aber es ist immer wieder eine Ehre», sagt die Spreitenbacherin. Die schönen Blumen im Topf, die sie an der Generalversammlung erhalten hat, stehen im Wintergarten auf dem Tisch. «Ich habe mein Profilbild für WhatsApp neu gemacht, mit diesen Blumen», erzählt sie. 

Mozarts Requiem ist das Konzert, das besonders gut in Erinnerung ist

Jubiläen sind eine Gelegenheit, zurückzublicken: «Ich erinnere mich sehr gut, als ich als junges Mädchen, damals war ich 16 Jahre alt, beim Kirchenchor Spreitenbach vorsang.» Ja, damals musste man noch Vorsingen und, wenn man bleiben konnte, wurde man einer Stimme zugeteilt. «In einem so grossen Kirchenchor mitsingen zu dürfen, hatte damals einen grossen Stellenwert», sagt Wegmüller. Heute hat derselbe Chor nicht einmal mehr halb so viele Mitglieder. «Leider haben die Jungen nicht mehr ein so grosses Interesse am Singen in einem Chor», so Wegmüller. «Wir waren ja damals froh, hatten wir diese Gelegenheit. Das war für uns der Ausgang.» Schon damals und bis heute gefällt ihr die sakrale Musik: Joseph Haydn, Georg Friedrich Händel und natürlich Wolfgang Amadeus Mozart. Wenn sie auch mal etwas Moderneres singen, Gospel etwa, so empfindet sie das als willkommene Abwechslung: «Wir sangen sogar schon mal auf Afrikanisch. Das war zuerst sehr merkwürdig, aber nach ein paarmal Üben gefiel es mir dann auch.» 

Wenn Wegmüller ein Konzert nennen soll, das ihr besonders positiv in Erinnerung ist, fällt die Wahl leicht: Mozarts Requiem. «Das fährt schon ein, das habe ich noch gut in Erinnerung», sagt die 76-Jährige. Im Laufe einer so langen Chorkarriere könnte man annehmen, die Musikstücke wiederholten sich. Wegmüller verneint: «Eigentlich gab es wenig Wiederholungen. Ich habe in den 60 Jahren viele Dirigenten und Dirigentinnen erlebt, alle brachten immer wieder Neues. Aber wenn es doch einmal vorkommt, dass wir ein Stück abermals einüben, so bin jeweils erstaunt, wie genau ich mich noch an die Melodie erinnern kann, die ich zum Beispiel vor 50 Jahren schon gesungen habe.» 
Aber nicht allein die Musik und die Liebe zum Singen sind es, die Wegmüller am Kirchenchor schätzt. Dadurch, dass man sich jede Woche einmal zur Probe trifft, auch durch die gemeinsamen Auftritte in der Kirche einmal im Monat und natürlich  durch die grösseren Konzerte an den Feiertagen wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten, kommt man sich näher. «Ja, man kennt einander schon gut, ist fast wie eine Familie», sagt Wegmüller. 

Besonders in schweren Zeiten und bei Schicksalsschlägen kann eine solche «Familie» helfen. Das weiss Wegmüller nur allzu gut: «Als vor 30 Jahren mein Mann tödlich verunglückte, da hat mir der Kirchenchor sehr geholfen. Das Singen ging eine Zeit lang gar nicht mehr, die Trauer raubte mir den Atem. Das war eine harte Zeit. Dann haben mich Chormitglieder geholt und ich fühlte mich im Chor wieder aufgehoben. Das Leben geht nach so einem Schlag nicht mehr gleich weiter, dann ist man froh, wenn man eine Aufgabe hat.» 

Die 76-Jährige denkt nicht ans Aufhören

Heute geht Wegmüller nicht mehr so oft ins Restaurant nach den Proben. «Ja, irgendwo merke ich das Alter dann doch», sagt sie lachend. «Aber wenn es im Sommer dann wieder länger hell ist, gehe auch ich wieder mehr mit.» Wegmüller denkt nicht ans Aufhören: «Ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich nicht mehr singe. Solange es mir Spass macht, kann ich gar nicht aufhören», sagt sie und fügt an: «Singen ist gesund.» Dagegen gibt es wohl nichts einzuwenden, Marlene Wegmüller ist das beste Beispiel dafür. 

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