Mit Vogelnestern kümmern sich die Bewohner des Schiblerquartiers um Mehlschwalben

Im Schiblerquartier hängen viele Nester für Mehlschwalben an den Hauswänden. So tragen die Bewohner zum Erhalt der Vogelart bei.

Fritz und Anita Voser mit Peter Truniger vor ihrem Haus in Neuenhof. Die Schwalbennester befinden sich über ihren Köpfen. Rahel Bühler

Fritz und Anita Voser mit Peter Truniger vor ihrem Haus in Neuenhof. Die Schwalbennester befinden sich über ihren Köpfen. Rahel Bühler

So sieht es aus, wenn die Schwalben in die Kunstnester fliegen.

So sieht es aus, wenn die Schwalben in die Kunstnester fliegen.

«Abends wird der Himmel ganz dunkel», sagt Anita Voser. Sie wohnt im Schiblerquartier in Neuenhof und meint damit nicht die Dämmerung, sondern die Mehlschwalben, die in ihre Nester an den Hausfassaden zurückkehren. Unter dem Hausdach von Fritz und Anita Voser befinden sich zwölf Nester, zehn sind besetzt. «Im ganzen Quartier haben etwa zehn Häuser Nester unter den Dächern», so Fritz Voser. Damit dürften etwa 200 Schwalben das Schiblerquartier heimisch nennen, schätzt Anita Voser: «Es ist richtig etwas los hier.»

In der Regel seien die Schwalben zwischen Anfang Mai und Mitte September in den Neuenhofer Nestern. «Heuer waren sie schon Ende April hier», sagt Fritz Voser. Seine Frau und er sind sich einig: Heuer benutzten mehr Vögel die Nester als vergangenes Jahr. Mehlschwalben kehren immer an ihre Geburtsstätte zurück. «Der trockene Sommer 2018 brachte eine starke Brut hervor. Sie alle kamen dieses Jahr hierher zurück. Vielleicht ist das der Grund», mutmasst Peter Truniger. Er ist Vorstandsmitglied des Natur- und Vogelschutzvereins Neuenhof. Gemeinsam mit den Bewohnern des Schiblerquartiers kümmert sich der Verein um die Mehlschwalben im Dorf.

Anita Voser ist im Haus an der Schulstrasse aufgewachsen. Schon in den 1960er-Jahren hätten hier Mehlschwalben genistet, sagt sie. «Damals haben sie ihre Nester selbst gebaut.» Aus Lehm, Dreck und Wasser. Seit 20 Jahren fänden sie nicht mehr genügend Material. Anfangs hat das Quartier die Nester noch von der Vogelwarte Sempach bezogen, mittlerweile stellt Fritz Voser die Nester selbst her – nach Anleitung der Vogelwarte. Sie bestehen aus Sägemehl, Zement, Gips und etwas Quarzsand. «Das Sägemehl isoliert», erklärt der Neuenhofer. Unter den Nestern hat er Holzbretter montiert: Es schützt Fassade und Boden vor Kot. Alle fünf bis sechs Jahre muss man laut dem Neuenhofer die Nester ersetzen.

Dass im Schiblerquartier nicht nur Menschen und Haustiere wohnen, ist offensichtlich: An Fassaden finden sich kleine, dunkle Spuren und Federn. Am Boden zerbrochene Eierschalen. Das stört die Vosers nicht: «Diesen Aufwand nehmen wir gerne auf uns. Wir möchten die Schwalben hier erhalten», so Fritz. Anita ergänzt: «Das ist unser Beitrag zum Vogelschutz.»

Das machen sie aus gutem Grund: «Noch in den 1990er-Jahren wurde der Bestand der Mehlschwalbe in der Schweiz auf 100000 bis 200000 Paare geschätzt. Er ist seither um fast die Hälfte geschrumpft», schreibt BirdLife Schweiz, der Schweizer Vogelschutz, auf der Website. Der Aargauer Schwalbenbeauftragte, Andres Beck, bestätigt dies: «Die Bestände nehmen ab. Das liegt einerseits daran, dass die Vögel kein Material für ihre Nester mehr finden. Andererseits haben viele nicht genug Energie für die Reise von Afrika nach Europa.» Das habe mit der Art, wie in Afrika die Landwirtschaft betrieben wird, zu tun: mit sehr viel Pestiziden. So sterben Insekten, von denen sich Schwalben ernähren.

Als kantonaler Schwalbenbeauftragter ist es seine Aufgabe, Vogelkolonien zu erfassen und bei Haussanierungen dafür zu sorgen, dass die Nester nicht verloren gehen. «Wegen der sinkenden Bestände ist es umso wichtiger, dass Leute künstliche Nester aufhängen. So verbrauchen die Schwalben keine Energie dafür und können direkt mit dem Brüten beginnen», sagt Beck. Neuenhof habe den höchsten Schwalbenbestand der Region. In Wettingen oder Würenlos gibt es laut dem Schwalbenschutzbeauftragten noch etwa fünf bis sechs Häuser pro Dorf, an denen Nester hängen. Man sehe das Engagement der Schiblerquartier-Bewohner und des Vogelschutzvereins. «Wenn es in Neuenhof keine künstlichen Nester gäbe, würden auch in dieser Gemeinde keine Schwalben mehr leben.»

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