SBB-Tageskarten: Nicht alle Gemeinden verstehen das Aus

Seit Anfang Oktober ist klar: Die Gemeindetageskarten gibt es noch bis 2023. Eine Umfrage zeigt: Die Gemeinden verstehen den Entscheid nur teilweise.

2019 war der Verkauf von Gemeindetageskarten in der Region hoch. 2020 ging er coronabedingt zurück. CH Media/Archiv
2019 war der Verkauf von Gemeindetageskarten in der Region hoch. 2020 ging er coronabedingt zurück. CH Media/Archiv

Für 45 Franken einen Tag lang mit dem öffentlichen Verkehr in der Schweiz herumfahren. Mit den Gemeindetageskarten ist das möglich. Doch nicht mehr lange. Die ÖV-Branchenorganisation Alliance SwissPass gab Mitte Oktober bekannt, das Angebot per Ende 2023 abzuschaffen. Sparbillette und Spartageskarten hätten in den vergangenen Jahren zu einem Umsatzrückgang bei den Tageskarten geführt. Parallel sei der Aufwand für den Vertrieb gestiegen und der Verkauf decke an vielen Orten die Kosten nicht mehr. Die Digitalisierung der Karten sei getestet worden: Sie wäre wegen «der unterschiedlichen Schnittstellen und IT-Lösungen nur mit einem unverhältnismässig hohen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar», schreibt Alliance SwissPass.

Eine Umfrage in der Region zeigt, dass die Gemeinden nur teilweise Verständnis für den Entscheid haben: «Die SBB befürchtet einen gewissen Anteil an Missbrauch, wenn die Karte am gleichen Tag von zwei Personen für zwei Reisen benutzt wird. Wir vermuten aber, dass es sich hier um einen ganz kleinen Anteil handelt», schreibt etwa Wettingens Leiterin des Gemeindebüros, Sandra Thut. Weiter trage die SBB kein finanzielles Risiko. Sie verkauft den Gemeinden die Tageskarten für die entsprechenden Monate. Das Risiko bei einem Nichtverkauf liegt aber bei der Gemeinde. Wettingen bietet bis Ende August acht Karten pro Tag an Einheimische an. 2019 seien 94 Prozent der Karten verkauft worden. Coronabedingt rechnet Thut fürs 2020 mit einer Auslastung von 75 Prozent. Trotzdem werde es 2020 voraussichtlich kein Defizit geben: Seit September bietet die Gemeinde nur noch sechs Karten an.

Die Bevölkerung Killwangens kann in Würenlos Tageskarten beziehen

Auch Tanja Peric, die stellvertretende Gemeindeschreiberin von Spreitenbach, schreibt: «Die SBB erstattet die Kosten für nicht verkaufte Tageskarten nicht zurück. Auf diesen Kosten bleiben die Gemeinden sitzen.» In Spreitenbach würden die Karten grundsätzlich gut genutzt. 2019 habe es kaum freie Karten gegeben. Anders 2020: Per 30. September verzeichnete die Gemeinde eine Auslastung von 51,8 Prozent.

Andernorts kosten die Tageskarten meist um die 45 Franken, in Spreitenbach nur 25. Das liegt an der Ortsbürgergemeinde: Sie übernimmt die Differenz zum Einkaufspreis. Deshalb können die Tageskarten in Spreitenbach nur Einheimische kaufen. Pro Tag gibt es vier Karten.

Die Gemeinde Killwangen verkauft selbst keine Tageskarten. Killwangener können sie auf der Gemeindeverwaltung Würenlos beziehen. In Würenlos hat die Auslastung der vier Karten laut Gemeindeschreiber Daniel Huggler 89 Prozent betragen. Bis Ende September waren es jedoch nur 65 Prozent. Huggler bezeichnet den Service als Non-Profit-Dienstleistung an die Einwohner. Es seien denn auch schätzungsweise 90 Prozent Einheimische, die die Karten brauchen. Er zeigt Unverständnis für den Entscheid: «Es ist ein sehr bedauerlicher und fataler Entscheid, mit dem die SBB nicht nur bei den Gemeinden, sondern auch bei einem beachtlichen Teil der Bevölkerung auf Unverständnis stossen wird.»

Neuenhof kann den Entscheid nachvollziehen

Auch in Neuenhof liegt die Auslastung normalerweise bei hohen 90 Prozent. Die Gemeinde bietet zwei Karten pro Tag an. Sowohl Einheimische wie auch Auswärtige können sie beziehen. 2020 sei die Auslastung stark zurückgegangen, schreibt Sandra Wirth, die Leiterin des Gemeindebüros. Der Rückgang sei aber nur der Coronakrise geschuldet. Daher rechnet sie heuer mit einem Verlust. Wegen der alternativen Angebote wie Sparbillette und Spartageskarten sagt sie aber: «Wir erachten es als sinnvoll, wenn ein neues, attraktives Angebot für die Gemeinden entwickelt wird.»

Bei den Gründen, wieso sie die Tageskarten verkaufen, blasen alle Gemeinden ins gleiche Horn: Es sei eine Dienstleistung für die Einwohner. Würenlos erwähnt zudem die Förderung des öffentlichen Verkehrs. Ob die Gemeinden die Karten bis zu ihrem Lebensende anbieten werden, ist unterschiedlich: Neuenhof entscheidet jedes Jahr anhand der Verkaufsstatistik. Die anderen Gemeinden haben angegeben, die Karten voraussichtlich bis Ende 2023 verkaufen zu wollen.

Die Alliance SwissPass hat angekündigt, zu gegebener Zeit ein Nachfolgeprodukt auf den Markt zu geben. Die befragten Gemeinden schreiben, sie werden diese Alternative zu gegebener Zeit prüfen.

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