IDH-Präsident: «Wir spüren eine verhaltene Zuversicht»

Eine Umfrage beim Gewerbe und Handel in der Region zeigt, dass die Branchen unterschiedlich stark und schnell auf die Coronakrise reagieren. Gemein ist allen, dass sie trotz grosser Herausforderungen den Kopf nicht in den Sand stecken wollen.

Fredi Pahr, Präsident der IDH Spreitenbach, sagt, als Folge der Coronakrise überlege man sich nun neue Strategien, um damit zurechtzukommen.Sibylle Egloff
Fredi Pahr, Präsident der IDH Spreitenbach, sagt, als Folge der Coronakrise überlege man sich nun neue Strategien, um damit zurechtzukommen.Sibylle Egloff

Die erste Coronawelle ist genommen. Wann und ob die zweite anrollen wird, ist ungewiss. Das Gewerbe und die Geschäfte in der Region haben die Auswirkungen des Lockdowns und der seit sechs Monaten anhaltenden Pandemie je nach Branche mehr oder weniger stark zu spüren bekommen. Das macht eine Umfrage bei den Gewerbe- und Handelsvereinen deutlich: «Es gibt Gewinner und Verlierer», sagt beispielsweise Fredi Pahr, Präsident der Vereinigung für Industrie, Dienstleistungen und Handel (IDH) Spreitenbach. Lebensmittelherstellern wie etwa Pommes- Chips-Produzent Zweifel gehe es recht gut, dieser hätte die Produktion während des Lockdowns nicht schliessen müssen. Im Gegensatz dazu würden vor allem Eventorganisationen an den Folgen der Veranstaltungseinschränkungen und -verbote leiden. «Ich muss aber sagen, dass wir bei den Mitgliedern eine verhaltene Zuversicht spüren», sagt Pahr. Die Zwangspause habe auch dazu geführt, sich neu auszurichten und sich Gedanken über das eigene Geschäft zu machen. «Man überlegt sich nun eine Strategie, um mit der neuen Situation zurechtzukommen. Dazu gehören leider auch Veränderungen im Personal», sagt Pahr. Nichtsdestotrotz sei die Stimmung in der IDH Spreitenbach nicht schlecht: «Wir stecken den Kopf nicht in den Sand.» Das zeigen auch die Mitgliederzahlen. Zur Vereinigung stiessen während der Coronazeit sieben neue Mitglieder.

Handwerker sind weniger stark betroffen als der Handel

Auch Fritz Krähenbühl, Co-Präsident vom Handels- und Gewerbeverein Wettingen, gibt sich zuversichtlich: «Es bringt nichts, auf der Hobelbank zu sitzen und zu jammern, wie schlecht es einem geht», sagt der Schreinerei-Inhaber. Was sicher helfe, die Krise gut zu überstehen, sei, einen guten Job zu machen. «Glückliche Kunden geben persönliche Empfehlungen an Freunde und Familie weiter. Das ist die beste Werbung für uns», sagt er. Ihm sei aber auch bewusst, dass das Gewerbe weniger hart von Covid-19 getroffen wurde als etwa der Handel und die Gastronomie in Wettingen. «Wir Handwerker haben ‹normal› weiterarbeiten können. Ich schätze, dass wir erst im vierten Quartal 2020 und in der ersten Hälfte des nächsten Jahres stärkere Auswirkungen spüren werden.» Die Meldungen von Entlassungen, wie etwa bei Kuoni oder bei der Neuen Aargauer Bank, hätten sich in den vergangenen Tagen gehäuft und auch wenn diese teilweise nichts mit der Pandemie zu tun hätten, seien sie für das Gewerbe nicht förderlich. «Wer seine Arbeit verliert oder immer noch Kurzarbeit hat, wird zuhause sicher nicht sein Badezimmer umbauen, eine neue Türe bestellen oder die Fenster auswechseln lassen», sagt Krähenbühl.

Stark betroffen war Krähenbühls Präsidiumskollegin und Fitnessstudio-Inhaberin Denise Zumsteg. Sie musste ihre beiden Fitnesscenter in Wettingen während des Lockdowns schliessen. «Es war einer der schlimmsten Tage für mich, ich fühlte mich ohnmächtig, wusste im ersten Moment nicht, was ich tun soll. Zudem habe ich die Verantwortung für über 30 Mitarbeitende», sagt sie. Dem Physioflex, das sie seit 20 Jahren betreibt, geht es mittlerweile wieder besser, für das Personal Training und die Ernährungsberatung im Vitalhaus bleibt die Situation nach wie vor schwierig. Positiv empfindet Zumsteg den digitalen Schub, den die Krise bewirkt hat. «Wir haben ein Onlinetraining entwickelt. Jeden Tag zeigten wir ein Programm, zu dem man sich per Zoom zuschalten und mitmachen konnte. Einige Kunden nutzen das Angebot noch heute, daher werden wir das beibehalten.» Viele Dienstleister wie sie seien in Wettingen zum Glück mit einem blauen Auge davongekommen. «Doch die Angst vor der Zukunft bleibt. Viele gingen nach dem Lockdown einkaufen, doch irgendwann haben die Leute genug, die Solidaritätswelle flacht ab.»

Das Restaurant Bahnhöfli musste seine Tore schliessen

Patrick Huber, Vizepräsident des Gewerbevereins Würenlos, rechnet damit, dass sich die Folgen der Pandemie erst im Herbst und Winter abzeichnen werden: «Viele Firmen haben während des Lockdowns weitergearbeitet. Erst jetzt gehen weniger Aufträge und fast keine Anfragen mehr ein», sagt der Inhaber einer Metallbaufirma. Tragisch sei es für alle Ladengeschäfte gewesen, die schliessen mussten. «Wenn nicht viele Reserven da sind, um die Zeit zu überbrücken, wird es eng.» Viele Geschäfte hätten sich mit kreativen Ideen über Wasser halten können. «Das Restaurant Bahnhöfli musste wegen Corona aber bereits schliessen», sagt Huber. Weil die Generalversammlung wegen Covid-19 ausfiel, hat der Gewerbeverein Würenlos jedem der gut 100 Mitglieder einen Gewerbegutschein im Wert von 50 Franken geschenkt. «Da wir keine Ausgaben für die Verpflegung an der Versammlung hatten, wollten wir das Geld an unsere Mitglieder weitergeben. Indem sie Gutscheine bei anderen Mitgliedern einlösen, helfen sie sich gegenseitig», sagt Huber.

In Neuenhof gehört die Mehrheit der 60 Mitglieder des Gewerbevereins der Baubranche an. «Viele haben deswegen tendenziell eher weniger Schwierigkeiten in der Coronazeit», sagt Präsident Titus Regensburger. Der Bauzyklus laufe nicht gleich wie der Wirtschaftszyklus, sondern immer etwa zwei Jahre versetzt. Daher werde man wohl erst nächstes Jahr das Ausmass der Krise erfahren. Eine Neuenhofer Firma, die bereits jetzt unter den Folgen der Pandemie leidet, ist die Druckerei Köpflipartners AG. Viele Projekte werden 2020 nicht realisiert, sodass das Unternehmen von einem Rückgang des Umsatzes von 30 Prozent im Jahr 2020 ausgeht. Grundsätzlich sei man bis zum Frühsommer optimistisch gewesen. «Die Firma sieht durch die neuerliche Verschärfung der Lage jedoch weiterhin kein Licht am Horizont, weil ein Grossteil der Kunden bis Ende des Jahres keine Veranstaltungen plant», sagt Regensburger. Doch er weiss, dass die Firma die schwierige Zeit auch nutzt, um ihre Prozesse weiter zu digitalisieren, neue Produkte zu entwickeln sowie die Homeoffice-Strukturen auszubauen und flexible Arbeitssysteme einzuführen. Daher müsse man trotz all den Herausforderungen doch eins anerkennen: «Jede Krise ist auch eine Chance.»

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