Vom Iran bis in die Schweiz: Weihnachten verbindet Menschen

Dabrina Schwan ist wegen ihres Glaubens aus dem Iran geflüchtet. An Heiligabend leitet sie als Pastorin einen Gottesdienst für Flüchtlinge.

Für Dabrina Schwan ist Weihnachten auf der ganzen Welt die schönste und friedlichste Zeit im Jahr.
Für Dabrina Schwan ist Weihnachten auf der ganzen Welt die schönste und friedlichste Zeit im Jahr.

Mit einem breiten Lächeln öffnet Dabrina Schwan die Glastür des «Chrüzpunkt». Seit November ist die zierliche Frau Pastorin in der freien evangelischen Gemeinde, FEG Baden Wettingen. Die 32-Jährige macht sich als Erstes eine Tasse Kaffee: Momentan steckt sie mitten in den Vorbereitungen für den Gottesdienst an Heiligabend.

Es ist ihre erste Weihnachtsfeier im Aargauer Dorf, und als verheiratete Frau – einen Monat vor ihrem Stellenantritt als Pastorin hat die gebürtige Iranerin geheiratet. Dabrina Schwan lächelt; an ihrem Ringfinger glänzen zwei Ringe. «Für mich als Pastorin steckt in Weihnachten eine geistliche Kraft. Dieses Fest verbindet Menschen überall auf der Welt», sagt Schwan. Während sie über die Festtage spricht, leuchten ihre braunen Augen auf.

Weihnachtsfeier auch im Iran

Weihnachten ist für Dabrina Schwan seit ihrer Kindheit eine wichtige Zeit. Als Tochter eines evangelischen Pastors wuchs sie im Iran auf. «Meine Familie gehört zur armenischen und christlichen Minderheit.»

Doch Dabrina Schwan kann sich noch an Weihnachtsfeiern im Iran erinnern, an denen über 3000 Menschen auftauchten. Mit der islamischen Revolution Ende der 70er-Jahre gerieten die evangelischen Pfingstgemeinden zunehmend unter Druck. 2009 veranlasste die Regierung dann die Schliessung aller Pfingstgemeinden. Auch die Kirche ihres Vaters existierte offiziell nicht mehr.

«Es war eine harte Zeit, als Christin im Iran aufzuwachsen.» Kurz hält Dabrina Schwan inne und holt tief Luft. So wurden bereits in den 90er-Jahren viele evangelische Pastoren getötet oder sind aus dem Land geflüchtet.

Ihre Familie blieb beim christlichen Glauben: «Es war eine Entscheidung. Wir lernten, auf Gott zu vertrauen, egal, was passiert.» Trotzdem haderte Dabrina für eine Weile mit ihrem Glauben: Mit 13 Jahren konvertierte sie kurzzeitig zum Islam. Doch der Koran war ihr zu widersprüchlich, zu viele ihrer Fragen blieben unbeantwortet. Zwei Jahre später kehrte sie zum Christentum zurück. «An einem Sonntag ist mir schliesslich Gott begegnet. Seither begleitet er mich jeden Tag.»

Nach dieser Epiphanie trieb es Dabrina Schwan für ein Theologiestudium nach England. Anschliessend kehrte sie für ein weiteres Studium in Psychologie in den Iran zurück. Denn eigentlich wollte sie damals Psychologin werden. «Aber ich wollte immer dem Glauben dienen.»

Dennoch wurde sie Pastoralassistentin in der verbotenen Gemeinde ihres Vaters. Genau diese Entscheidung wurde Dabrina Schwan aber zum Verhängnis: Sie musste wegen ihres Glaubens ins Gefängnis. Ihren 24. Geburtstag feierte die überzeugte Christin hinter Gittern. Bis zu ihrem definitiven Urteil konnte sie das Gefängnis auf Kaution verlassen.

Schliesslich wurde Dabrina Schwan zu zehn Jahren Haft verurteilt. Darauf floh sie über die Türkei in die Schweiz. Plötzlich wird ihr Blick starr: Über die Flucht spreche sie nicht gerne.

Inzwischen seien auch ihre Eltern und ihr Bruder verhaftet worden. Alle drei warten aber noch auf ihre definitiven Verurteilungen. Egal, was passiert: Für den Rest ihrer Familie ist es keine Option, den Iran zu verlassen: «Mein Vater ist der letzte evangelische Pastor im Land, er kann die letzten Gläubigen nicht im Stich lassen.»

Heiligabend im Asylheim

Ende 2010 kam Dabrina Schwan schliesslich in der Schweiz an. Schnell war klar: Sie wollte etwas erreichen. «Doch es war hart. Ich musste wie ein Baby alles noch einmal lernen.» Sie zählt an ihren Fingern ab: Sprache, Kultur, alltägliche Dinge, wie Rechnungen machen.

Besonders schwer sei das erste Jahr gewesen – Weihnachten feierte Dabrina Schwan mit anderen Asylsuchenden in einem Durchgangsheim. «Es war traurig, weil wir unsere Familien vermissten, aber das Fest brachte uns zusammen und wir feierten trotz unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Religion miteinander.»

So feierten bereits im Iran auch Muslime Weihnachten. Strassen und Läden wurden jedes Jahr mit Bäumen und Kerzen geschmückt. «In meiner Erfahrung wird Weihnachten fast überall auf der Welt gefeiert, auch wenn nicht unbedingt die Geburt Jesus dabei im Vordergrund steht», sagt Schwan.

Bereits in ihrem zweiten Jahr in der Schweiz konnte die Iranerin als Englischlehrerin in einer Primarschule aushelfen. «Die Kinder haben mir sehr geholfen beim Deutschlernen.» Dabrina Schwan lächelt, ihr Lachen steckt an.

Nach drei Jahren erhielt sie schliesslich ihre Arbeitsbewilligung. Im Kanton Zürich fand sie eine Stelle als Sozialbetreuerin und arbeitete mit kriminellen Jugendlichen. Bis ein evangelischer Pastor auf die junge Christin aufmerksam wurde und ihr eine Pastoralausbildung im Thurgau anbot.

In dieser Zeit organisierte Dabrina Schwan ihre ersten Weihnachtsfeiern in der Schweiz. Immer eingeladen waren Asylsuchende aus der Region. Dabei konnte Dabrina Schwan auch immer gut in Kontakt mit den Asylsuchenden treten: Sie hat es in der Schweiz zu etwas gebracht, das gibt vielen Geflüchteten Hoffnung und Mut.

Ordination, Heirat, Wettingen

Vergangenen Juni wurde Dabrina Schwan ordiniert. Nicht viel später erhielt sie die Stelle in Wettingen. Bevor es die gebürtige Iranerin aber in den Aargau zog, heiratete sie. Von ihrem Mann, einem Geschäftsmann, erfahre sie viel Unterstützung in ihrer Arbeit. Während sie spricht, spielt Dabrina Schwan mit den Ringen an ihrem Finger.

Auch in Wettingen erwartet die neue Pastorin viele Asylsuchende. Dabei sei das Fest an Heiligabend aber offen für alle. Auf die Besucher warten ein grosses Essen, Geschenke und eine kleine Überraschung.

«Dabrina besitzt neben ihrem grossen Glauben und ihrer Liebe zu Jesus auch viel Liebe für alle Menschen verschiedener Herkunft und Altersgruppen», sagt Martin Geyer, Mitglied der Gemeindeleitung der freien evangelischen Gemeinde, FEG Baden Wettingen. Nun heisst es für Dabrina Schwan, letzte Vorbereitungen für die grosse Feier zu treffen.

Gottesdienst für alle mit Dabrina Schwan: 24. Dezember, 19 bis 21.30 Uhr, «Chrüzpunkt» Wettingen.

Weitere Artikel zu «Wettingen», die sie interessieren könnten

Wettingen27.03.2024

Mehr Steuergelder eingenommen

Die Gemeinde Wettingen schliesst die Rechnung 2023 mit einem Minus von 200000 Franken. Das ist weniger als budgetiert.
Wettingen20.03.2024

Wettingen will höher bauen

Rund 250 Personen liessen sich im Tägerhardsaal über die Gesamtrevision der allgemeinen Nutzungs­planung informieren. Klar ist: Wettingen wird weiterhin…
Wettingen20.03.2024

Hartnäckigkeit wird geschätzt

Drei Berufsleute gaben Eltern Einblick in die Anforderungen während der Lehre und den Weg dorthin.