«Es gibt keinen Grund zu zittern»

Die sechs Raiffeisenbanken in der Region Baden–Brugg konnten die Bilanzsumme um - 5,2 Prozent steigern und blicken auf ein gutes Geschäftsjahr 2014 zurück.

Die Raiffeisenbankleiter (v.l.) Hanspeter Lüthi, Siggenthal-Würenlingen, Daniel With, Rohrdorferberg-Fislisbach, Federico Hürsch, Lägern-Baregg, und Heinz Jäggi, Wasserschloss.Foto: bär
Die Raiffeisenbankleiter (v.l.) Hanspeter Lüthi, Siggenthal-Würenlingen, Daniel With, Rohrdorferberg-Fislisbach, Federico Hürsch, Lägern-Baregg, und Heinz Jäggi, Wasserschloss.Foto: bär

Ein paar Minuten vor der alljährlichen Bilanz-Pressekonferenz in der Schalterhalle der Badener Raiffeisenbank an der Stadtturmstrasse: Eine Kundin erzählt der Bankangestellten ausführlich von ihrem Spitalaufenthalt und der familiären Situation. Geduldig hört die Mitarbeiterin zu, nickt mitfühlend und wünscht ihr beim Gehen gute Besserung. Ist diese zufällig beobachtete Begebenheit normal? «Die Beziehungspflege zur Kundschaft ist uns sehr wichtig», sagt Hanspeter Lüthi, Leiter der Raiffeisenbank Siggenthal-Würenlingen. «Wir haben einen guten Ruf in der Region und bekommen dadurch Geld, obwohl wir nicht hohe Zinsen zahlen können», ergänzt Federico Hürsch, Chef der Raiffeisenbank Lägern-Baregg.

Wie für Genossenschaften üblich, erhalten die Kunden keine grosse Gewinnausschüttung, da der grösste Teil des Gewinns dem Eigenkapital zugeführt wird. Dafür profitieren sie von diversen Aktionen. Dieses Jahr können die Genossenschafter beispielsweise vergünstigt in die Zentralschweiz fahren und übernachten und werden wie jedes Jahr zur Generalversammlung mit Nachtessen und Unterhaltung (am 16.4.2015 im Badener Trafo) eingeladen. Das scheinen die 55184 Genossenschafter (Vorjahr: 54814) zu schätzen und vertrauen den Regionalbanken ihr Geld weiterhin an. Auch dieses Jahr können die sechs eigenständigen Banken deshalb wieder auf ein sehr erfreuliches Geschäftsjahr zurückblicken. Sie legten bei den Kundenausleihungen und den Kundengeldern, dem Kerngeschäft der Regionalbanken notabene, wiederum Marktanteile zu. Die Kundenausleihungen wurden um 2,8 Prozent auf 4,806 Milliarden Franken und die Kundengelder um 4,4 Prozent oder 185 Mio. Franken auf 4,423 Milliarden Franken gesteigert. Die Bilanzsumme ist um 5,2 Prozent auf 5,587 Milliarden Franken angestiegen.

Obwohl Raiffeisen schweizweit jede fünfte Immobilie finanziere, lege sie viel Wert auf strenge Bonitätsprüfung. «Wir suchen nicht nur das Volumen und die Quantität, sondern vor allem die Qualität», betont Daniel With, Bankleiter Rohrdorferberg-Fislisbach. Die Bankenleiter gehen von einer sanften Landung im Immobilienbereich aus. «Wer ein Eigenheim kaufen wollte, hat das aufgrund der tiefen Zinsen bereits getan», vermutet With. Da auch gerade der Hypothekarbereich auf einem nicht erwarteten tiefen Zinssatz angelangt sei und die Kundschaft bei der Erneuerung der Hypothek von diesen Tiefstzinsen profitiere, rechnet man künftig mit Einbussen beim Zinsertrag. «Viele fälligen Hypotheken werden fast zum halben Zinssatz erneuert», sagt Heinz Jäggi von der Raiffeisenbank Wasserschloss. Einen allgemein gültigen Tipp, ob man zurzeit variable oder langfristige Verträge abschliessen soll, geben sie nicht: «Das kommt darauf an, ob man ein Risiko eingehen oder Sicherheit will.» Die Finanzberater würden auf Wunsch den einzelnen Kunden individuell beraten.

Der Swiss Market Index ist im Jahr 2014 um rund 10% gestiegen. Dieses Wachstum ist nach der Aufhebung des Euro-Mindest-Kurse vor einer Woche innert weniger Stunden zunichtegemacht worden. Lüthi rät, einen kühlen Kopf zu bewahren: «Die Situation wird sich beruhigen, es gibt keinen Grund zu zittern.» Auch Hürsch kann der Panik nichts Gutes abgewinnen: «Nach der Festlegung des Mindestkurses hatte man drei Jahre Zeit, sich neu zu orientieren. Wer glaubte, dies sei sakrosankt, war fahrlässig.» Eine Prognose, bei welchem Wert sich der Euro schliesslich stabilisieren werde, will keiner der Bankleiter wagen. Einen Tipp für die Kundschaft haben sie aber trotzdem. «Jetzt Euros bar abzuheben und diese zu horten, ist sicher nicht schlau. Besser ist, mit der Bank zu reden und allenfalls ein Eurokonto zu eröffnen, wo es sicher ist», rät Jäggi.

Genau das hat die Kundschaft aber vergangene Woche, nach Aufhebung des Euro-Mindest-Kurses, getan. Die Schalterhallen der Raiffeisenbanken waren mit Menschen gefüllt, die Euro abheben wollten. Bereits am Morgen hatten die Banken keine Euros mehr. «So etwas habe ich noch nie erlebt», so Hürsch, der doch schon seit mehreren Jahrzehnten im Bankgeschäft tätig ist. Bei so viel Hektik blieb den Bankangestellten an diesem Freitag trotz gutem Willen keine Zeit, den privaten Schicksalen ihrer Kundschaft ausführlich zuzuhören.

 

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