«Ich weinte wie ein Schlosshund»

Markus Ernst hat ein Baby gerettet. Am Samstag steht er deswegen am NAB-Award zur Wahl des «Aargauer des Jahres».

Markus Ernst auf der Eisbahn im Tägi.Foto: bär
Markus Ernst auf der Eisbahn im Tägi.Foto: bär

«Für die Preisverleihung musste ich mir extra einen Anzug kaufen. Ich bin ein sportlicher Typ und trage sonst nie solche Kleider», sagt Markus Ernst. Er sieht sich selber auch nicht als Held. «Der Titel Aargauer des Jahres würde mir sogar fast ein bisschen Angst machen. Ich war einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort», lacht er. Sein beherzter Einsatz am 15. Juli in diesem Sommer, wo er einen4 Monate alten Buben rettete, macht ihn aber trotzdem dazu.

Wie oft in seiner Freizeit wollte der 50-Jährige auch an diesem Tag eine Biketour an den Egelsee machen. Weil er später als geplant losfahren konnte, wählte er eine kürzere Route der Limmat entlang. Im Rhythmus der Musik, die ihm durch seine Kopfhörer unter dem Velohelm laut entgegendröhnte, fuhr er bei Dietikon über einen Steg, unter dem drei Gewässer ineinanderfliessen. Aus einem Augenwinkel sah er, wie ein alter Mann wild winkte. Zuerst dachte er, dieser winke einem Bekannten zu und wäre um ein Haar weitergefahren. «Doch als ich zurückschaute, sah ich im Wasser einen Kinderwagen treiben. Danach habe ich einen Filmriss.» Instinktiv habe er wohl Bike und Helm weggeworfen und sei zum Wasser gerannt. «Im Kinderwagen, der unter Wasser war, starrte mich ein Baby an. Diesen Blick werde ich nie mehr vergessen», sagt Ernst. Er sah den Vater des Babys vorbeischwimmen, «doch ich konnte ihm nicht helfen, weil ich versuchte, den Kinderwagen an die Wasseroberfläche zu ziehen.» Das gelang ihm nicht, zu schwer war der Wagen unter Wasser. Er tauchte zum Wagen hinunter, öffnete die Gurten und zog das Baby heraus, kurz bevor der Wagen in die reissende Limmat geriet. Als ausgebildeter Badmeister wusste er, wie man reanimiert, «doch bei einem Neugeborenen ist das extrem schwierig». Als ihm dann der Vater vom Wasser her auch noch zurief, es sei noch ein zweites Kind im Wasser, sass der Schock tief. «Mit dem Baby über der Schulter, dem Handy am Ohr, um die Ambulanz zu rufen, bin ich dem Ufer entlang losgerannt, um es zu suchen.» Das zweijährige Geschwister fand er dann glücklicherweise wohlauf am Flussufer, packte es und lief zurück. Weitere Passanten hätten dann den Vater aus dem Wasser gezogen und kurz darauf seien Ambulanz und Polizei eingetroffen. «Das war eine Riesenerlösung. Als der Druck vorbei war, weinte ich wie ein Schlosshund.»

Ihm sei bewusst geworden, dass es auch hätte schieflaufen können und er dank seiner Ausbildung und Erfahrung instinktiv richtig gehandelt habe. Er bat die Polizei, seinen Namen nicht öffentlich zu machen. «Es hat mich so stark aufgewühlt, dass ich es damals nicht geschafft hätte, auch noch mit Medien zu reden.» Auf dem Heimweg hielt er dann an seinem Arbeitsort, dem Sportzentrum Tägi, an, um das Erlebte mit seinen Arbeitskollegen zu teilen. Sie waren es denn auch, die den zweifachen Familienvater für den NAB-Award angemeldet hatten. Mittlerweile kann er darüber reden, hat sporadisch auch Kontakt mit dem Vater.

An die Gala wird er von seiner Familie begleitet. «Am Anfang war es ihnen peinlich. Doch meine Tochter kommt nun auch mit, sie hofft auf einen Auftritt von Luca Hänni», sagt Ernst lachend.

NAB-Award, Live-Übertragung am 22. 11., ab 20.15 Uhr auf Tele M1.

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