Bald gibt es keinen Männerchor mehr

Eine Ära geht zu Ende: Nach 134 Jahren löst sich der Männerchor auf.

Josef Bütler und Marcel Cattin (v.l.) singen ein letztes Ständchen vor der Schulaula. Barbara Scherer

Josef Bütler und Marcel Cattin (v.l.) singen ein letztes Ständchen vor der Schulaula. Barbara Scherer

1971: Der damalige Männerchor vor dem Gemeindehaus. zVg

1971: Der damalige Männerchor vor dem Gemeindehaus. zVg

Fast dreissig Jahre lang hat der Männerchor jeden Mittwochabend in der Aula der Schule Boostock geprobt. Das ist jetzt vorbei: Seit Anfang Jahr ist es am Mittwochabend still im Saal. Nach 134 Jahren löst sich der Verein Ende Juli auf. «Uns haben die Mitglieder gefehlt», sagt Chormitglied Marcel Cattin. Er kümmert sich um die Liquidation des Vereins. Nur noch neun Mitglieder zählte der Verein Ende 2016. Und zwei wollten auf das neue Jahr austreten. «Es tut weh. Doch die Vernunft sagt: Es hat keinen Wert mehr», so Cattin. Niemand wollte dem Verein mehr beitreten.

Im Januar hat die Mehrheit des Männerchors also entschieden: Es ist vorbei. Kein Abschlusskonzert. Keine Proben mehr. «Wenn ich mich singen hören will, muss ich eine CD hören», sagt Josef Bütler. Er war über 50 Jahre im Männerchor und damit der Dienstälteste. «Ich wollte nicht, dass wir uns auflösen», gesteht Bütler. Wehmütig schwenkt er noch einmal die Fahne des Chors. Diese wird, solange es geht, in einer Glasvitrine im Schulhaus aufbewahrt. Früher sei der Männerchor Spreitenbach bekannt gewesen: «Wir konnten unsere Lieder auswendig vortragen», sagt Bütler stolz. Zwei-Stunden-Konzerte ohne ein Notenblatt.

Er habe geweint, als der Verein beschloss, sich aufzulösen. «Es war mein Verein. Ich dachte, das habe ich nicht verdient. Doch wir hatten auch schöne Zeiten. Das will ich nicht missen», so Bütler.

Nach der Probe ging es stets in die Beiz. Kameradschaft habe der Verein grossgeschrieben. «Ab und zu haben wir dann zum Bier ein Ständchen gesungen.» Bis zu 34 Mitglieder hat der Männerchor in seinen besten Jahren gezählt. Jedes Jahr gingen die Sänger zusammen auf eine Reise. Im Herbst organisierte der Verein ein Raclette-Essen. Und zu Ehren der ältesten Bewohner der Gemeinde hat der Männerchor gerne ein Ständchen gesunden. Zwei- bis dreimal im Jahr ist der Verein aufgetreten: Zusammen mit dem Männerchor Würenlos hat der Chor im November 2016 das letzte Konzert organisiert.

Probleme hatte der Männerchor bereits vor drei Jahren. Es fehlte ein Präsident. «Die Frau eines verstorbenen Sängerkollegen hat das dann übernommen», erklärt Marcel Cattin. Ohne sie wäre es schon damals um den Verein geschehen. «Unser Chor hat es irgendwann verpasst, Nachwuchs zu finden», sagt Cattin. Zum Schluss sei der Verein überaltert und nicht mehr attraktiv für junge Sänger gewesen.

Doch der Männerchor ist nicht alleine mit seinem Schicksal: Viele Chöre kämpfen ums Überleben. «Junge Leute wollen sich nicht mehr verpflichten. Alles muss spontan laufen.» Auch würden jüngere Sänger lieber Popmusik singen. Das Männerchorprogramm wirke dann auf viele altmodisch. «Wir haben noch versucht, ein paar Schlager ins Programm zu nehmen. Doch das war wohl schon zu spät», so Cattin. Zwar hätten viele Anwohner der Gemeinde ihr Bedauern zur Auflösung des Chors ausgedrückt. Doch beitreten wollte niemand. Cattin: «Das ist ein totaler Widerspruch.» Er selbst hat in den Neuenhofer Chor gewechselt. Bütler ist in Spreitenbach dem Kirchenchor beigetreten. Für beide steht fest: «Nicht mehr singen, das geht nicht.»

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