Mehr als nur Nahrungsaufnahme

Ruth Miotti kocht jede Woche für Gäste. Fremde Gäste, die sich über die Internetplattform margrit.net in ihre vier Wänden zum Mittagessen anmelden.

Salat aus dem Garten, Kalbsbraten vom Eringer Kalb, dazu Kefen mit Eierschwämmli, Kartoffelstock und ein Erdbeer-Dessert. Dieses 3-Gang-Menü gibts heute um 12.15 Uhr bei Ruth Miotti zum Mittagessen. Sie hat es nicht nur für sich selber gekocht, sondern auch für ihre Gäste. Das Spezielle daran: Die Köchin kennt die meisten Gäste nicht, die heute bei ihr essen. Die 64-Jährige kocht nämlich einmal wöchentlich für maximal vier Personen, die sich über die Internetplattform www.margrit.ch angemeldet haben.

Vor 15 Monaten wurde die Plattform von den beiden Brüdern Tobias und Stefan Ganz mit dem Ziel gegründet, Menschen an die Mittagstische privater Köche zu bringen. Sie vermissten das hausgemachte Essen ihrer Grossmuter Margrit, nach der sie die Plattform nannten. Sie wussten, dass es viele passionierte Köche wie ihre Grossmutter gibt. Stundenlang stehen sie in der Küche, um manchmal nur für ein, zwei Personen zu kochen. «Dabei könnten sie ohne grossen Mehraufwand für vier, fünf oder noch mehr Personen kochen und dabei noch etwas verdienen», schreiben die Brüder Tobias und Stefan Ganz auf ihrer Website. Sie sind überzeugt, dass so die Gesellschaft näher zusammengebracht werden könnte.

Die Idee fand nicht nur bei Ruth Miotti Anklang, sondern auch bei anderen. Über die Plattform sind mittlerweile rund 1000 Mahlzeiten vermittelt worden und 300 Hobbyköche registriert. Die Anmeldung und Bezahlung läuft online. 85 Prozent der Einnahmen des vom Gastgeber bestimmten Menüpreises gehen an ihn, der Rest an die Plattform-Betreiber. Sie erledigen die Abwicklung, Werbung und Administration. Die Brüder Ganz sehen das Angebot nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu Restaurants. Es sei viel mehr als nur Nahrungsaufnahme. Stefan Ganz: «Es geht uns ums gemeinsame Essen.»

Ist es nicht komisch, fremde Gäste in den eigenen vier Wänden zu bekochen? «Nein, im Gegenteil. Ich hatte schon viele interessante Begegnungen, die sonst nicht zustande gekommen wären», sagt Miotti. Besonders spannend seien Gespräche mit Berufstätigen aus verschiedenen Sparten. Als sie Ochsenschwanz kochte, sei ein Gast deswegen extra aus Frauenfeld angereist.

Miotti ist in einer Grossfamilie aufgewachsen, ihr Vater war Pfarrer, das Haus immer voller Gäste und Leben. Als sie sich vergangenes Jahr frühzeitig pensionieren liess und Mitte Jahr ihr Mann verstarb, habe sie eine sinnvolle Beschäftigung gesucht. «Etwas, was gegen die Vereinsamung hilft und wo ich meinen schönen Garten teilen kann. Ich will nicht alles alleine geniessen», sagt sie. Deshalb habe sie vergangenes Jahr erstmals ihr Haus für Gäste geöffnet und die Freude daran bis heute behalten. Jetzt, wo in ihrem Gemüsegarten alles wächst und blüht, habe sie noch mehr Freude daran. «Weil ich weiss, dass ich jede Woche fürs Mittagessen daraus ernten kann», sagt Miotti und holt aus ihrem Garten Schnittlauch, um dem Salat damit die richtige Würze zu geben.

www.margrit.net

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