Besondere Gräber sind kein Thema

Baden will ein muslimisches Grabfeld anlegen, das erste im Aargau. Wie halten es Gemeinden, in denen der Bevölkerungsanteil an Muslimen viel grösser ist?

Es gibt kaum eine andere Branche in der Schweiz, die so föderalistisch geregelt ist wie das Bestattungswesen. Jede Einwohnergemeinde kennt ihre eigenen Reglemente, jede Kirchgemeinde ihre eigenen Traditionen, jede Religion ihre eigenen Vorschriften.

Einheitlichkeit besteht laut Gesetz darin, dass allen Personen, die in der Schweiz begraben werden, ein «schickliches Begräbnis» zusteht. Die Bestattungsnormen basieren auf christlichen Werten. Der Staat hat sich aber zu religiöser Neutralität verpflichtet.

Ende Mai berät nun der Badener Einwohnerrat ein neues Friedhofsreglement. In diesem Zusammenhang ist auf dem Friedhof Liebenfels geplant, ein Grabfeld für 200 Personen muslimischen Glaubens anzulegen, wo das Gesicht der Verstorbenen in Richtung Mekka gerichtet sein kann und ein Brunnen für die Gebetswaschung zur Verfügung stehen soll. Opposition dagegen gibt es nicht, Vertreter der christlichen Landeskirchen äussern sich positiv.

Rund 700 Muslime leben schätzungsweise in Baden, ihr Anteil macht 3,8 Prozent der Bevölkerung aus. In Spreitenbach und Neuenhof sind es bestimmt mehr. Genaue Zahlen liegen aber nicht vor. Nur so viel: In den Rechenschaftsberichten 2015 ist die Bevölkerung eingeteilt in katholisch, reformiert, konfessionslos und «andere». In Spreitenbach (11300 Einwohner) haben 40 Prozent eine «andere Konfession», in Neuenhof (8800 Einwohner) 33 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Anteil davon muslimischen Glaubens ist.

Sind besondere Gräber für Muslime hier ein Thema? «Wir haben relativ wenig Muslime, die in Spreitenbach bestattet werden», sagt Gemeindepräsident Valentin Schmid. Manche Leichname würden in ihr Herkunftsland zurückgeführt, andere – noch hier angemeldete – Muslime vor ihrem Tod zurückreisen. 2015 gab es in Spreitenbach 72 Todesfälle, aber nur 41 Beerdigungen. Unter den 31 nicht hier Beerdigten waren nachweislich mindestens sechs Muslime.

Es gibt laut Schmid sehr wenig Anfragen bezüglich muslimischer Bestattungsformen. An eine erinnert er sich, als jemand in einem Leichentuch hätte beerdigt werden wollen. Schmid: «Wir sind ans Gesetz gebunden.» Und dieses schreibt bei Erdbestattungen zum Beispiel einen Sarg vor. Die Leiterin des Spreitenbacher Bestattungsamts, Tanja Peric, hat noch nie einen Fall erlebt, in dem sich Muslime über die Vorschriften beklagt hätten: «Sie sind sehr dankbar, dass man ihnen in dieser Situation hilft.»

In einem unterscheiden sich allerdings auf dem Spreitenbacher Friedhof die Christen-Gräber von denjenigen muslimischer, andersgläubiger oder konfessionsloser Verstorbener: Hier steht statt eines Holzkreuzes ein T-förmiges Grabmal.

In Neuenhof waren spezielle Muslimgräber laut Gemeindeammann Susanne Voser noch nie ein Thema. Es habe noch nie eine Anfrage gegeben. Auch Rückführungen ins Herkunftsland seien sehr selten. Man verfolge die Diskussion in Baden und werde das Friedhofsreglement in Abstimmung mit den Nachbarsgemeinden zu gegebener Zeit anpassen. Dabei geht es um Fragen, wer welche Kosten trägt oder wie gross das Bedürfnis nach Familiengräbern noch ist. Das Beispiel Kosten: Die Kremation bezahlt in Neuenhof die Gemeinde, in Baden auch noch (gemäss neuem Friedhofsreglement dann nicht mehr). In Wettingen und Spreitenbach müssen die Angehörigen die Kremationskosten tragen.

Weitere Artikel zu «Spreitenbach», die sie interessieren könnten

Spreitenbach17.04.2024

Wenn Verstand und Herz sich streiten

Spreitenbach17.04.2024

Verstopfte Leitungen

Abfälle, die in die Toilette geworfen und so ins ­Abwasser gespült werden, sorgen regelmässig für ­Verstopfungen.
Spreitenbach17.04.2024

Nach acht Jahren Pause wird in Spreitenbach ­wieder Theater gespielt. Die Theatergesellschaft (TGS) führt in der Turn­halle Boo­stock die witzige Komödie «E…