So verbringen Kinder im Asylheim ihre Sommerferien

Die Limmatwelle hat in ihrer Sommerserie Menschen in der Region, die aus verschiedenen Gründen in den Sommerferien daheim bleiben. So auch die Kinder in der kantonalen Asylunterkunft in Neuenhof. Sie können sich keine Ferien leisten und müssen den Sommer im Asylheim verbringen. Eine Familie erzählt.

Perez, Barok und Barkot <em>(v. l.) packen in ihrem Zimmer in der Asylunterkunft in Neuenhof die Badesachen ein. (Melanie Bär)
Perez, Barok und Barkot <em>(v. l.) packen in ihrem Zimmer in der Asylunterkunft in Neuenhof die Badesachen ein. (Melanie Bär)

Das Wetter am ersten Ferientag in den Sommerferien ist schön und heiss. Im Eingang der kantonalen Asylunterkunft riecht es nach Essen. Es ist halb zwei Uhr nachmittags. Im ersten Stock öffnet die 11-jährige Barkot die Tür.

Sie wartet auf Marit Studer, eine Bekannte der Familie. Um zwei Uhr will sie Barkot und ihre beiden Brüder Barok und Perez abholen, um mit ihnen in die Badi zu gehen. Badehosen und Badetuch haben die drei Kinder bereits eingepackt. Geduldig warten sie auf die Besucherin.

«Ich finde es gut, dass wir Ferien haben, aber fünf Wochen sind ein bisschen lang», antwortet Barkot auf die Frage, ob sie sich auf die Schulferien gefreut hat. Sie vermisst ihre Schulgspändli, von denen die meisten bereits in die Ferien verreist sind. Barkots Familie hingegen kann keine Ferien machen. Sie leben seit anderthalb Jahren als Asylsuchende in der kantonalen Unterkunft in Neuenhof.

Neun Franken am Tag reichen nicht für grosse Ausflüge

Wie verbringen sie die fünf Wochen Ferien im neuen Daheim in der Asylunterkunft? «Wir werden Tag für Tag schauen, was wir machen können», sagt Familienvater Teferi Kassa Biratu.

Mit neun Franken pro Tag pro Erwachsener und acht pro Tag pro Kind kann sich die Familie keine grossen Sprünge leisten. «Deshalb ziehen wir günstige oder kostenlose Aktivitäten vor», so Biratu.

Zoobesuche oder andere Ausflüge, die Eintritt kosten, liegen nicht drin. «Aber wir werden beispielsweise Spaziergänge machen, die Gitarre mitnehmen und uns irgendwo hinsetzen und singen.»

Keine Arbeit, kein Auto, keine Glacé

Manchmal würden ihn die Kinder fragen, warum sie sich kein Eis kaufen dürfen oder zu Fuss gehen anstatt mit dem Bus oder dem Auto zu fahren. «Ich erkläre es den Kindern dann und sage ihnen, dass alle irgendwo Einschränkungen machen müssen», so Biratu.

Am schwierigsten sei für ihn ihre Frage, wieso er nicht arbeite. Denn in Äthiopien war er als Direktor eines Schweizer Hilfswerks ein angesehner Mann und die Familie konnte sich auch Ferien leisten.

Während der Schulferien im Sommer nahm der 43-Jährige jeweils einen Monat frei, um Urlaub zu machen und die Verwandten zu besuchen. Das änderte sich, als er sich für das Hilfswerk eines Schweizer Vereins, das er als Direktor leitete, vor Gericht für den Bauplatz einsetzte und deswegen nachher um sein Leben fürchtete. Im November 2018 flüchtete er deshalb mit seiner Familie in die Schweiz.

Reisen sind nun Erinnerungen

Seither sind Ferien kein Thema mehr. «Ich erinnere mich aber noch an eine Reise nach Awassa, wo wir am See schwimmen gingen», sagt Barkot. Am meisten vermisse sie ihr Haus, ihre Tante und überhaupt die ganze Familie. «Hier in der Schweiz finde ich dagegen den Schnee mega schön.»

Ihre sieben- und neunjährigen Brüder erinnern sich nur noch vage an die Städtereise in ihrem Heimatland. Sie leben im Hier und Jetzt und freuen sich, dass sie dank der Ferien Zeit zum Fussballspielen mit den anderen Kindern in der Asylunterkunft haben.

Dann endlich, um Viertel nach zwei, klingelt es. Der langersehnte Besuch ist da und holt die Kinder für den Badibesuch ab. «Habt ihr eure Badesachen schon eingepackt?», fragt Marit Studer die Kinder. Das haben sie schon lange und zeigen auf ihre Säcke am Rücken.

Badibesuch ist ein Geburtstagsgeschenk

Studer hat die Familie in einer Kirche in Wettingen kennengelernt und unterstützt sie regelmässig. «Die Familie ist sehr bemüht, sich zu integrieren und zu engagieren und ihre Bekanntschaft ist auch für mich eine Bereicherung, es beruht auf Gegenseitigkeit», erklärt Studer, wieso sie sich für die Familie einsetzt. Der Badibesuch ist ihr Geburtstagsgeschenk an die Kinder, die alle im Sommer Geburtstag feiern.

Studer ist eine von vielen Freiwilligen, die sich für Asylsuchende Menschen einsetzen. «Der Kanton hat keine speziellen Freizeitangebote während der Sommerferien, es gibt aber viele Freiwilligenorganisationen, die solche Angebote machen», sagt Karin Müller, Leiterin Kommunikation vom kantonalen Departement Gesundheit und Soziales (DGS).

Neben Privatpersonen bieten auch gemeinnützige Vereine oder Kirchgemeinden Angebote an. In der letzten Schulferienwoche führt beispielsweise die Freie Evangelische Gemeinde (FEG) in Wettingen eine kostengünstige Ferienwoche für Kinder durch.

Vielleicht wird Barkot sie besuchen. Sie weiss es nicht, sondern nimmt einen Tag nach dem anderen. So wie den heutigen Tag, der dank dem Badibesuch zu etwas Besonderem wird.

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