Mobbing bis zum Schulwechsel: Schule reagiert erst, als Kanton eingreift

Nach einem Mobbingvorfall in Killwangen wurde die kantonale Schulaufsicht involviert. Darauf haben zwei Kinder die Schule Killwangen verlassen. Gesamthaft zahlt die Gemeinde für mindestens acht Kinder an anderen Schulen Schulgeld.

Mobbing: <em>Ein Primarschüler in Killwangen wurde über ein Jahr von Mitschülern gequält (gestellte Szene), AZ Archiv/Oliver Menge </em>
Mobbing: <em>Ein Primarschüler in Killwangen wurde über ein Jahr von Mitschülern gequält (gestellte Szene), AZ Archiv/Oliver Menge </em>

Erst waren es nur Hänseleien. Dann folgten Schläge und Tritte: An der Schule Killwangen wurde der Primarschüler Felix* über ein Jahr hinweg von seinen Klassenkameraden gequält, insbesondere von einem Mitschüler. So schildert der Vater des Kindes die Ereignisse gegenüber der Limmatwelle.

Schliesslich schalteten sich die Eltern von Felix ein. Sie suchten erst das Gespräch mit dem Klassenlehrer, ohne Erfolg. Schliesslich wandten sie sich Ende 2016 an die Schulleitung: Nichts sei passiert, so schreibt der Vater des Jungen in einer E-Mail.

Eltern involvierten Schulaufsicht

Erst als die Eltern im Juni 2017 die kantonale Schulaufsicht hinzuzogen, wurde gehandelt: Im Herbst sei dann der Mitschüler an eine andere Schule versetzt worden.

Doch für Felix änderte sich nicht viel: «Nachdem mein Sohn nach weiteren Angriffen seitens anderer Mitschüler und des Lehrers nahe an einem Zusammenbruch war, haben wir ihn auf eigene Initiative aus der Schule genommen», schreibt der Vater weiter.

Worauf die Eltern von der Schule angezeigt worden seien, wegen Verstoss gegen das Schulgesetz. Für die Eltern hat es sich trotzdem gelohnt: Felix besuche seit Ende März eine neue Schule und blühe richtig auf.

Mobbing werde nicht geduldet

Es bleibt offen, wieso im Fall Felix erst etwas passierte, als die kantonale Schulaufsicht hinzugezogen wurde. Die Frage, ob die Schule Fehler gemacht habe, beantwortet Daniel Vontobel, Schulpflegepräsident Killwangen, nicht. «An unserer Schule wird kein Mobbing geduldet und die Schulführung würde sofort reagieren», schreibt Vontobel auf Anfrage.

Aus Schutzpflicht gegenüber den Beteiligten könne sich die Schulpflege aber nicht zu konkreten Fällen äussern. Deshalb könne er auch nicht Auskunft geben, ob und warum in diesem Fall nicht schneller reagiert wurde und die Eltern den Schüler widerrechtlich von der Schule nehmen mussten.

Die kantonale Schulaufsicht bestätigt aber, in den vergangenen Monaten zu mehreren Themen Kontakt zur Schule Killwangen gehabt zu haben.

Zehn Schüler haben Schule verlassen

Schulwechsel zum Wohle des Kindes kommen laut Schulpflege vor: «Dies bedeutet für alle Beteiligten eine Entspannung und kann unter Umständen eine Sonderschulung verhindern», so Vontobel. Die Schule helfe in solchen Situationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Schulort oder bei der Abwicklung des Schulwechsels.

In den letzten zehn Jahren haben rund zehn Schüler der Schule Killwangen unfreiwillig oder auf Wunsch die Schule gewechselt.

«Diese Zahlen sind nicht ausserordentlich und widerspiegeln ebenfalls die Situation in anderen Gemeinden», sagt Gemeinderat Markus Schmid, Ressortverantwortlicher Schule und Kindergarten.

Schulgeld für mindestens acht Schüler

Besucht ein Kind die Volksschule nicht in der Gemeinde, in der es seinen zivilrechtlichen Wohnsitz hat, so muss die Wohnsitzgemeinde der Schulortsgemeinde einen Schulkostenbeitrag zahlen. Da dies das Budget der Gemeinde belastet, muss der Gemeinderat diesen Antrag der Schulpflege gutheissen.

Gemäss Aussagen von Gemeindeammann Werner Scherer zahlt die Gemeinde Killwangen im Moment für mindestens acht bis zehn Kinder Schulgeld an andere Schulen. «Die Rechnungen der auswärtigen Schulen werden erst im Sommer gestellt. Deshalb können wir im Moment keine konkreten Zahlen nennen», so Scherer.

Auch über die Gründe der Wechsel kann er keine Aussage machen, da der Gemeinderat darüber nicht informiert werde, weil der Schulbetrieb nicht dem Gemeinderat, sondern dem Kanton unterstellt ist. «Wir bekommen von der Schulpflege nur den Antrag, wenn es darum geht, dass ein Kind die Schule wechselt und wir die Kosten im Budget aufnehmen müssen. Ansonsten haben wir keine Befugnisse, was die Schule betrifft», so Scherer.

Weniger Schulgeld in Wettingen

Zum Vergleich: In Wettingen sind es weniger als zehn Schüler, die eine auswärtige Schule besuchen, sagt der Wettinger Schulpflegepräsident Thomas Sigrist auf Anfrage. «Da wir drei Primarschulstandorte führen, ist es in Wettingen jedoch auch möglich, ein Kind an einen anderen Standort zu beschulen», so Sigrist.

Solche Versetzungen kämen jedoch selten vor. Dies, obwohl in Wettingen 1650 Kinder die Primarschule und den Kindergarten besuchen, also rund zehnmal so viele wie in Killwangen.

Doppelfunktion ist gefährlich

Könnten Die Probleme damit zusammenhängen, dass in Killwangen die Funktion der Schulleitung und des Schulsekretärs von einer Person ausgeübt wird? «Eine solche Doppelfunktion birgt gewisse Gefahren, Risiken, aber auch Chancen», sagt Markus Schmid.

Der Gemeinderat, die Schulpflege und die kantonale Schulaufsicht seien sich der Situation bewusst. Allerdings ist die Schulpflege eine eigenständige Behörde und somit nicht dem Gemeinderat unterstellt. Der Schulbetrieb obliegt dem Kanton.

Bei Problemen an der Schule sollten sich Eltern in erster Linie an die Schulleitung und die Schulpflege wenden. Die Schulaufsicht interveniert nur bei begründeten Hinweisen auf Qualitätsdefizite, bei Störungen im Schulbetrieb oder bei Nicht-Einhalten von kantonalen Vorgaben an öffentlichen und privaten Schulen. Sie übernimmt dabei eine Vermittlungsrolle. Endgültige Entscheidungen treffen stets die Schulleitung und die Schulpflegen.

Unstimmigkeiten zwischen Schulpflege und Gemeinde

Noch im letzten Sommer hiess es, dass Unstimmigkeiten zwischen der Schulpflege, dem Schulleiter und einem Teil des Gemeinderates herrschen. Damals haben zwei Mitglieder der Schulpflege die Behörde per sofort verlassen: ohne Angabe der genauen Gründe (siehe Limmatwelle vom 15.6.2017).

Konkret waren sich die Behörden nicht einig in Bezug auf die Ausübung der Führungsfunktionen des Schulleiters und die strategische bzw. steuernde Tätigkeit der Schulpflege.

Inzwischen seien diese Differenzen aber gelöst: «Seit der Neukonstitution der Schulpflege und dem Ressortwechsel im Gemeinderat funktioniert die Zusammenarbeit bestens», sagt Markus Schmid. Als Ressortleiter pflege er einen regelmässigen Kontakt zu den Vertretern der Schule.

Externe Evaluation zeigte Schwächen auf

Dass es an der Schule Killwangen vergangenes Jahr nicht ganz rundlief, ging auch aus der externen Evaluation des Kantons hervor: «Beim Bereich Qualitätsmanagement zeigte sich eine kleine Schwäche, welcher wir uns bewusst sind und bereits aktiv sowohl auf strategischer wie auch operativer Ebene teilweise mithilfe der Schulaufsicht angenommen haben», sagt der Schulpflegepräsident Daniel Vontobel.

Auf die Frage, welche Schwächen im Qualitätsmanagement gefunden wurden, antwortete Vontobel nicht.

«Die Resultate der externen Evaluation und die daraus folgenden Massnahmen liegen in der Verantwortung der Schule», sagt Markus Schmid. Die entsprechende Kommunikation an die Eltern und Erziehungsberechtigen sei im Dezember und Januar erfolgt. Schmid: «Schulpflege und Schulteams arbeiten, teilweise begleitet von der Schulaufsicht, an internen Weiterbildungen und Workshops an den Themen.»

* Name von der Redaktion geändert.

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